Die Liebe in Grenzen
wird nicht angreifen. Beweg dich! «
» Wenn doch, dann musst du ihn anbrüllen und ⦠«
» Geh schon! «
Ich gehorchte, hörte noch, wie Konrad einen tiefen, kehligen Laut von sich gab, der nicht nur mich, sondern offenkundig auch das Tier zu beruhigen schien. Das Knurren hörte auf. Ich blickte vorsichtig zurück, sah, wie der Hund sich Konrads ausgestrecktem Arm näherte, den Körper immer noch dicht an den Boden gepresst. Das abgemagerte, völlig verdreckte Tier machte den Hals lang, schnupperte an Konrads Handrücken. Als er ruhig mit ihm zu sprechen begann, wedelte der Streuner zaghaft mit dem Schwanz, sprang aber sofort zurück, als Konrad sich aufrichtete. Mir stockte der Atem, als er dem Hund den Rücken zudrehte und ein paar Schritte unternahm. Das Tier setzte sich ebenfalls in Bewegung. Blieb Konrad stehen, hielt auch der Hund inne, ging Konrad ein Stück, folgte ihm sein Begleiter, langsam die geduckte Haltung aufgebend.
Während ich die beiden beobachtete, fiel mir etwas ein. Ich ging bis zum Haupthaus, eilte dort in einen Nebenraum der Küche, in dem Helga die Schlüssel zu den Vorratsräumen aufbewahrte. Nachdem ich mir diese geschnappt hatte, öffnete ich die groÃe Kühlkammer, griff zu einer dicken Fleischwurst, die dort an einem Haken von der Decke hing. Im Flur zwang ich mich zur Ruhe, schob mich vorsichtig durch die Haustür und sah Konrad an der Ecke zu seiner Wohnung, der Hund dicht hinter ihm. Als ich mich räusperte, rannte das Tier weg, aber nicht sehr weit. Von seiner sicheren Position aus begann er uns wieder aufmerksam zu beäugen.
Konrad bemerkte die Wurst und sagte: » Wieso wusste ich sofort, dass du eines Tages meine Gedanken lesen würdest? «
» Das war jetzt aber keine besonders groÃe Leistung « , konterte ich.
Er warf mir sein Taschenmesser zu, und ich schnitt die Wurst in dicke Stücke, warf eines davon in Richtung des Hundes. Das Tier entfernte sich noch weiter.
» Lass mich mal. Ich geh näher an den Hund ran. «
» Sicher? «
» Warte drinnen und lass mich das machen. Zu zweit irritieren wir ihn. «
Wie ein Kind lieà ich mich ins Haus schicken, und es dauerte eine gute halbe Stunde, in der ich auf jedes Geräusch horchte, bis Konrad mich rief. Die beiden entdeckte ich auf der groÃen Wiese, Konrad im Schneidersitz, der Hund vor ihm hingekauert, den zotteligen Kopf auf seinem rechten Bein.
» Komm her und setz dich zu mir, aber sieh ihm noch nicht direkt in die Augen, das könnte er als Bedrohung empfinden. Vertrau mir, das ist ein verunsicherter, aber ein guter Hund, er wird dir nichts tun. «
Zögernd näherte ich mich dem seltsamen Paar, lieà mich steif neben Konrad ins Gras sinken, während er dem Hund in dem sonoren Singsang, mit dem er Mischa beruhigte, erzählte, dass ich zu ihm gehöre, keine Gefahr für Streuner darstelle und er, der Hund, mir zeigen solle, was für ein feiner, braver Kerl er sei. Als hätte er verstanden, bedachte der Hund nun auch mich mit einem Blick, einem Wedeln seiner Rute. Ich hatte Mühe, das Zittern meiner Hände unter Kontrolle zu halten, als er sie zu lecken begann.
So kam August zu uns, besser gesagt, zu Konrad. Er gab ihm diesen Namen nach dem Monat, in dem er auf dem Mühlengelände auftauchte. August folgte Konrad fortan auf Schritt und Tritt, fraà Unmengen von Helgas Vorräten, wurde täglich kräftiger. Nach einem ausgiebigen Bad sah er regelrecht gepflegt aus. Wenn Konrad auch nur in den Supermarkt ging, um einzukaufen, jaulte August herzzerreiÃend und hörte erst wieder auf, wenn sein Herr aus der Glastür trat. Nachts schlief er zusammengerollt vor der Tür, um keinesfalls den Moment zu verpassen, in dem Konrad die Wohnung verlieÃ. Tagsüber begleitete er uns auf unseren Spaziergängen, lag bei uns auf der Wiese und lieà sich sogar davon abhalten, Hühner oder Katzen zu jagen, solange nur Konrad in der Nähe war, um es ihm zu verbieten. Ein leises Wort von ihm genügte, und der Hund, der zuvor wild gebellt und geknurrt hatte, hockte friedlich zu seinen FüÃen.
» Wie hast du ihn so schnell dazu gebracht, dir aufs Wort zu gehorchen? « , fragte ich.
» Er hat das selbst entschieden. «
» Das Tier soll von sich aus beschlossen haben, dass du ihm befehlen darfst? «
» So ist es. Er könnte ja jederzeit weglaufen, tut er aber nicht.
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