Die Liebe in Grenzen
Austern von den Felsen, trieben sich gemeinsam im Fischereihafen herum. «
» Klingt nach glücklicher Kindheit. «
» Eher nach den seltenen Lichtblicken in einer erstklassigen Familienhölle. «
» Wie auch immer, das nenne ich mal einen Oberkörper! «
» Marcel, hat Konrad mir erzählt, ist Steinbildhauer. Gelegentlich hilft er auf dem Fischkutter seines Vaters in Paimpol aus, einer kleinen Hafenstadt an der Côtes-dâArmor. «
» Schön, an der Liebesküste. «
» Nein, Ar-mor, da ist noch ein r drin, Keltisch für âºLand am Meerâ¹. «
» Auch gut. Und da ist er jetzt, Konrad, an der Küste vom Land am Meer? «
» Wird wohl so sein. «
» Und? «
» Was und? «
» Fährst du hin? «
» Wie kommst du darauf? Vor kurzem hast du ihn noch einen Psychopathen genannt. «
» Da war ich erschrocken, aber diese Zeichnungen hier, die sind beeindruckend. Also, wirst du hinfahren? «
» Nein. Oder später. Ich weià nicht. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, und vor jeder habe ich Angst. «
» Verstehe. «
» Wirklich? «
» Absolut. «
» Seit wann? «
Manu ruft zur Bedienung: » Hallo, können Sie uns zwei Schokoladenkuchen bringen? Wir brauchen dringend Nervennahrung. «
» Es gibt Momente, in denen weià ich genau, warum du die einzige Freundin bist, mit der ich es länger als einen Tag aushalte. «
Manu nimmt mein Gesicht zwischen ihre Hände, drückt mir einen Kuss auf die Stirn, lässt sich wieder auf ihren Polstersessel sinken und sagt: » Als deine Freundin bin ich unschlagbar. Immer schon gewesen! «
Der Kellner bringt, ohne eine Miene zu verziehen, zwei riesige Stücke von einer Schokoladentorte und stellt eine Schale mit extra Sahne dazu: » Die Damen, bitte sehr! «
Während ich mich bedanke, greift Manu ungeniert nach dem Umschlag, dreht ihn mit der offenen Seite nach unten, fährt mit der Hand hinein.
» Wieder kein Brief dabei? «
Ich schüttele den Kopf.
» Er verlässt sich darauf, dass ich auch so meine Schlüsse ziehe. «
Manu nimmt mir die Zeichnungen aus der Hand, schaut sich jedes einzelne Blatt nochmals genau an, es sind sieben Skizzen: Marcel an Bord des Kutters, eine idyllische Hafenszene, ein Stillleben mit abgeschlagenen Fischköpfen und Kartoffelschalen, das Portrait eines alten Mannes mit Pfeife, ein bretonisches Steinhaus mit einer fett gefütterten Katze auf der Fensterbank, eine Strandszene mit Männern, die ein Boot aus den Wellen ziehen, ein weiteres Mal das Meer mit Felsküste und tosender See. Das Haus habe ich früher bereits auf einem Foto gesehen.
» Ein bisschen Farbe drauf, und er könnte den Touristen eine Menge Geld aus der Tasche ziehen « , sagt Manu nach einer Weile.
» Ich schätze, genau das wird er auch tun. Er kennt eine Galeristin vor Ort, der er schon die eine oder andere Zeichnung geschickt hat. Er braucht die fertigen Arbeiten nur bei ihr abzugeben, den Verkauf regelt sie für ihn. Gegen Provision, klar, aber es wird sich dennoch für ihn lohnen. «
» Wenn er die Nerven behält, könnte er dort also in Frieden leben. «
» Genau. «
» Ist doch perfekt! «
» Ja, das ist es. «
» Aber? «
» Nix aber. «
» Wärst du gern dabei? «
» Ich bin schon mit ihm dorthin unterwegs gewesen. «
» Was ist passiert? «
» Ich gab ihm zu verstehen, dass meine Liebe Grenzen hat. «
» Warum? «
» Aus Notwehr. «
Als ich nicht mehr mit einer ÃuÃerung rechne, taucht Manu ihren Löffel in die Sahne und sagt leise: » Das ist ein guter Grund zur Flucht. «
11 â Notwehr
K onrad hatte seine angebliche Rückkehr vom Comer See für den Vorabend am Ende der Sommerfreizeit angekündigt, sodass es nicht nötig war, seine Ankunft eigens vorzutäuschen. Als das Gepäck der Mühlenbelegschaft unter groÃem Hallo aus dem VW -Bus geräumt wurde, schlenderte er in einem seiner maÃgeschneiderten GroÃväter-Anzüge wie zufällig mit August an seiner Seite über den Vorplatz. Ich war gerade damit beschäftigt gewesen, Lenas Bauwagen den Anschein zu geben, als hätte ich ihn mehr als einmal betreten, doch beim Ertönen der Autohupe war ich dann herbeigelaufen. Konrad wäre mir in dem Getümmel, das ich vor dem Haupthaus vorfand, nicht einmal sofort aufgefallen,
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