Die Liebe ist ein Dieb und der Pirat der Träume (German Edition)
„Gabe“ – hin und wieder reichte sogar schon ein „Ga“ – mir nichts mehr ausmachte oder mich inTränen ausbrechen ließe. Denn was Märchenprinzen anging, hatte sich meiner als erbärmlicher Schrott entpuppt, und ich vermutete, dass ich nicht die erste Frau war, die feststellen musste, dass der ihr zugedachte Märchenprinz ein bisschen scheiße war. Doch Chad hatte nur gesagt: „Nein.“
Woraufhin ich prompt in Tränen ausgebrochen war, denn seit der Trennung war ich zu einer echten Heulsuse geworden. Vorher hatte ich immer geglaubt, wir Briten wären stoisch und wasserfest, doch jetzt schossen mir die Tränen schnell, reichlich und ohne groß provoziert worden zu sein aus den Augen.
Und bisher war das Kontroverseste, was die Zeitschrift je veröffentlicht hatte, ein vierhundert Wörter umfassender Artikel über die körperlichen Beschwerden bei Liebeskummer gewesen, die tatsächlich vergleichbar waren mit den körperlichen Beschwerden bei Drogenentzug (was zum Trost für all diejenigen, denen es gerade nach einer Trennung richtig schlecht geht, übrigens wirklich wahr ist). Nein, „True Love“ hatte stets munter die Vorzüge der Liebe gelobt und den Leserinnen beigebracht, wie sie möglichst viel davon bekommen konnten, was häufig genug durch den Kauf der vielen Produkte, für die Chad in der Zeitschrift werben ließ, ermöglicht werden sollte, damit sie, wenn sie die Liebe schließlich gefunden hatten, an uns schreiben und die Freude mit uns teilen konnten. Das zumindest war der Standpunkt, den die Redaktion bis zum vergangenen Freitag vertreten hat …
Ach ja, übrigens, bevor Loosie wieder anfängt loszureden, sollte ich vielleicht erwähnen, dass sie es auf mich abgesehen hat, seit ich mich über ihren amerikanischen Akzent lustig gemacht habe – darüber und über die Tatsache, dass sie so schnell und so laut wie eine Schlagbohrmaschine redet, sowie über die alberne Schreibweise ihres Namens …
„Wie ich schon sagte, Chad, es ist nicht nur die Post.“ Wütend funkelte sie mich an. „Wir haben eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, dreihundert auf der Hauptleitung, einhundertzwanzig auf dem Nebenanschluss, und dann ist da noch dieses Ding, das sich Fax nennt, das ständig irgendwelchePapierseiten ausspuckt, auf denen offenbar handgeschriebene Mitteilungen stehen. Ich habe in der IT-Abteilung angerufen und denen gesagt, sie sollen das Ding abholen. Außerdem haben wir eine Reihe von Präsentkörben von irgendwelchen Motivationsrednern bekommen, sind von den Verlegern fast sämtlicher Autoren von Selbsthilfebüchern aus Westeuropa kontaktiert worden, und die BBC hat inzwischen schon dreimal angerufen, und Kate, na ja, Kate hat heute anscheinend auch massenhaft Nachrichten bekommen.“ Sehen Sie, ich hab’s doch gesagt, oder nicht? Sie hasst mich. „Ja, massenhaft Leute haben angerufen und gesagt, sie wollen mit Seeräuber Kate sprechen.“ Oh nein. „Und die meisten Briefe sind anscheinend auch an Seeräuber Kate adressiert.“ Ich sah quer durchs Zimmer zu Federico, aber der summte leise vor sich hin und blickte in eine andere Richtung. „Und alle, die Kontakt mit uns aufgenommen haben, wollen mit uns über ihre von der Liebe gestohlenen Träume reden.“
„Ihre was ?“
„Ihre von der Liebe gestohlenen Träume, Chad“, wiederholte Loosie, obwohl wir alle wussten, dass Chad sie auch beim ersten Mal genau verstanden hatte.
In dem Moment kam glücklicherweise Mark aus der Marketingabteilung ins Zimmer gestürmt. Besser gesagt, er humpelte herein, weil sein Knie ja wegen des riesigen Konferenztisches verletzt war, aber das klingt weniger dramatisch, also stellen Sie sich vor, er kam hereingestürmt.
„Die Server sind zusammengebrochen!“, brüllte er nach dem Hereinstürmen.
„Was heißt hier, der Server ist zusammengebrochen?“, hakte Chad nach und wirkte dabei extrem genervt … und das alles meinetwegen.
„Es ist alles zusammengebrochen, Chad, alles, die Homepage, die Mikroseiten, die Kundenseite, alles, zu viele Leute haben zur gleichen Zeit versucht, auf die Seite zu gelangen.“ Marks Stimme klang so, als hätte er ein Stück Apfel in seinen Nasenlöchern stecken, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Chad blickte erst zu mir, dann zu Federico und Mark.
„Punkt neun Uhr seid ihr alle morgen früh wieder hier“, schrie er, bevor er aus dem Konferenzzimmer marschierte, gefolgt von Mark, der – der Dramaturgie dieser Szene zuliebe –
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