Die Liebe ist ein Dieb und der Pirat der Träume (German Edition)
blinzelte ein paarmal, als müsste er sich neu fokussieren. Auf was, wusste ich nicht. Zwischen ihm und Annie, dem sterbenden, zweihundert Pfund schweren Lachs, war nur reine Luft.
„Na ja …“ Annie sah nervös hinüber zu Jenny. „Ich habe mir darüber noch nicht so wirklich Gedanken gemacht, aber ich bin immer davon ausgegangen, dass ich, wenn ich erst einmal Kinder habe, mehr Zeit für so etwas habe. Ich wäre ja mindestens die ersten sechs bis zwölf Monate zu Hause, sodass ich dann Kurse belegen könnte. Oder vielleicht wenn ich in Rente gehe? Als Rentnerin mache ich bestimmt mehr.“ Annie war gerade erst dreißig geworden. „Wie ich schon sagte, das sind alles nur Annahmen. Ich habe das noch nicht so richtig zu Ende gedacht.“
„Wenn du Kinder hast oder wenn du in Rente gehst …“ Federico runzelte die Stirn und tippte wie wild auf der Tastatur seines Notebooks herum. Auch ich runzelte die Stirn. Ihre Planung gefiel mir nicht. Sämtliche frischgebackenen Mütter, die ich bisher getroffen hatte, waren übereinstimmend der Meinung gewesen, dass man kaum Zeit hatte, aufs Klo zu gehen, geschweige denn, dass man Zeit fand, um Decken zu häkeln oder selber Vasen zu töpfern. Und darauf warten, dass man in Rente ging, warten, bis man fast siebzig Jahre alt war? Ich stellte mir die Rentner der Zukunft vor, wie sie dem Kunsthandwerkswahn verfallen, bevor sie auf Wasserskier springen, sich beim Bungee-Jumping über große Schluchten fallen lassen, halluzinogene Drogen ausprobieren und bei einem flotten Dreier mitmachen. Nicht dass sie das alles nichtgern machen sollten, es ist nur so, dass sie nicht unbedingt bis nach der Pensionierung warten sollten, bis sie damit anfangen, oder, so wie in Annies Fall, bis sie geheiratet hatten.
„Wie ist es mit deinem Freund, ist der begeistert von deinem Kinderwunsch?“, fragte Federico, schloss sein Notebook und nahm die Brille ab, die er vor sich auf den Tisch legte.
„Er hat noch nicht … äh … Ich habe noch nicht … Wir haben eigentlich noch nicht darüber gesprochen. Aber ich glaube, dass es definitiv die Richtung ist, in die wir uns bewegen.“ Sie nickte heftig.
Federico machte es ihr nach. „Annie, ich verstehe, was du sagen willst, jawohl, das tue ich. Du willst sagen, dass du dich häuslich niederlassen und eine Familie gründen willst, damit du dann die Möglichkeit hast, dich all deinen anderen Träumen zu widmen.“
„Ja, wenn ich Kinder habe oder in Rente gehe, obwohl ich das so eigentlich noch nicht wirklich überlegt habe. Die Liebe hat mir definitiv nichts gestohlen, das ist jedenfalls sicher. Ich bin sehr zufrieden mit dem Hier und Jetzt.“ Jenny nickte zustimmend. „Ich mache diese Sachen einfach später, wenn ich verheiratet oder Rentnerin bin. Dann mache ich das zusammen mit meinem Mann …“ Ihre Stimme verhallte zu einem Murmeln.
„Nicht allein?“, bohrte Federico nach. „Aber was ist, wenn dein Mann all diese Sachen gar nicht tun will, Annie-pants, darf ich dich Annie-pants nennen? Was ist, wenn du keine Zeit hast, sobald die Kinder da sind, was, tut mir leid, wenn ich da eine Illusion zerstöre, Annie-pants, mit ziemlicher Sicherheit der Fall sein wird. Was ist, wenn du ins Rentenalter kommst, und dein Mann sagt: ‚Nein, Annie. Nein! Ich will nicht lernen, wie man einen Pullover strickt, und ich will auch keine Gardinensäume umnähen. Ich will einfach nur rumsitzen, furzen, an mir rumfummeln und Golf spielen.‘ Was ist, wenn du das Rentenalter überhaupt nicht erreichst? Was ist damit? Man weiß nie, Annie-pants. Man weiß nie. Und dann besteht natürlich noch die Gefahr, dass du geschieden wirst. Wie lauten da die Statistiken? Ist es eine von drei Ehen, die geschieden wird?“
„Eine von zwei Ehen“, korrigierte ich ihn.
„Eine von zwei Ehen, Annie-pants. Eine von zwei! Das ist so, als würde man eine Münze werfen, Annie-pants. Die Chancen stehen fifty-fifty! Obwohl das alles ja rein hypothetischer Natur ist, denn hier auf deinem Anmeldebogen steht, dass du noch gar nicht verheiratet bist, was bedeutet, dass wir theoretisch über einen Mann sprechen, mit dem du unverheiratet zusammenlebst. Was uns zurückbringt zu der Sache mit dem Alleinsein, nicht wahr? Jawohl, so ist es, und zurück zu der Tatsache, dass du anfangen musst, ein paar von diesen Sachen zu machen, auch wenn es bedeutet, dass du hin und wieder allein bist. Sonst kann es nämlich passieren, dass du nie dazu kommst, einem dieser Hobbys
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