Die liebe Verwandtschaft
Mama, ja, Mama« und dann geht er hin und tut doch, was ihm passt. Als ob man einem Tauben predigte. Wenn dein Vater Halsweh hat oder Rückenschmerzen, schluckt er ein Pulver. Hast du wenigstens eine warme Bettdecke?
Prof. A. Kishon: Ja, Mama, ich habe alles, was ich brauche. Aber dieses Referat …
Mama: Verlang eine Daunendecke. Sag den Leuten, ich hätte es gesagt. Und lauf nicht ohne Schal herum.
Prof. A. Kishon: Um Himmels willen, Mama, hier ist es heiß wie …
Mama: Ja und nachts wird es dann kalt! Du weißt doch, wie anfällig du bist. Ich frage mich nur, von wem du das hast. Ich war mein Leben lang nicht einen Tag krank und auch dein Vater ist beinahe kerngesund. Iss ja keine rohe Salami! Hörst du, Amir?
Prof. A. Kishon: Ja, Mama.
Mama: Ich mach mir wirklich Sorgen um dich. Ich hätte dich nicht weglassen dürfen um diese Jahreszeit. Wann kommst du zurück?
Prof. A. Kishon: In circa zehn Tagen.
Mama: Warum so spät?
Prof. A. Kishon: Ich muss noch nach London zu einer Nuklearkonferenz, um die Welt vor einer Atomkatastrophe zu bewahren.
Mama: Musst du da unbedingt hin?
Prof. A. Kishon: Ich bin der Vorsitzende.
Mama: Dein Vater hat vierzig Jahre lang zu Hause an seinem Schreibtisch gesessen und war glücklich dabei. Kannst du denn nicht einmal absagen?
Prof. A. Kishon: Ich habe eine persönliche Einladung von der Königin.
Mama: Dann zieh dich anständig an. Nicht die graue Hose, die beult an den Knien immer so aus. Und vergiss nicht, dich zu verbeugen und »Euer Majestät« zu sagen, man sagt nicht einfach »Hallo« zu einer Königin. Die Königin soll nicht denken, ich hätte dich schlecht erzogen, hörst du, Amir?
Prof. A. Kishon: Gewiss, Mama.
Mama: Ich bin sicher, du träumst wieder mit offenen Augen. Gibt’s da, wo du bist, fließendes Wasser?
Prof. A. Kishon: Also, Mama …
Mama: Dann wasch dich und vergiss nicht, täglich die Unterwäsche zu wechseln.
Prof. A. Kishon: Natürlich, Mama.
Mama: Gut. Aber ich wollte dir noch was sagen. Was war das denn nur? Erst gestern sagte ich zu deiner Tante Sabina: »Das muss ich dem Jungen erzählen, das interessiert ihn bestimmt.« Was war das nur?
Prof. A. Kishon: Beim nächsten Mal ist dir’s sicher wieder eingefallen …
Mama: Unterbrich mich nicht. Stell dir vor: Herr Jacobsohn, du weißt doch, der nette, seriöse Herr von nebenan, er wurde zum Mitglied des Einwohnerrats gewählt als Nachfolger von Herrn Grossmacher, der zu seiner Tochter nach Brasilien gezogen ist. Sie soll wieder schwanger sein. Jetzt sind wir natürlich alle mächtig stolz auf Herrn Jacobsohn. Er ist immerhin noch ein recht junger Mensch, ungefähr in deinem Alter – und schon im Einwohnerrat! Das ist eine große Ehre, nicht wahr? Ich denke, du solltest ihm mit ein paar Zeilen gratulieren und ihm ein Geschenk aus Amerika mitbringen, am besten etwas aus Plastik. Aber wie ich dich kenne, vergisst du auch das.
Prof. A. Kishon: Ja, Mama.
Mama: Du hörst mir ja überhaupt nicht zu, Amir. Schreib’s dir lieber auf, du behältst ja nichts. Also: »Herr Jacobsohn, Strich, Plastikgeschenk.« Hast du das?
Prof. A. Kishon: Ja, Mama.
Mama: Gut und jetzt geh wieder zu deinen Freunden. Und sei höflich zu allen. Und wenn jemand mit dir spricht, schau ihm in die Augen und nicht an die Decke.
Prof. A. Kishon: Natürlich, Mama.
Mama: Schön, dass du angerufen hast. Wolltest du was Bestimmtes?
Prof. A. Kishon: Ich? Ah … nicht dass ich wüsste …
Mama: Hör auf zu stottern. Also, mach’s gut, mein Junge und denk dran, Mama liebt dich, auch wenn du ein bisschen schlampig bist.
Prof. A. Kishon: Danke, Mama. Adieu.
Mama: Dein Schal!
Besuchszeiten: Montag und Donnerstag
Meine Tante Ilka, eine liebenswerte alte Dame, stieß vor einigen Jahren, als sie gerade mit der Säuberung ihres Fußbodens beschäftigt war, einen leisen Pfiff aus und konnte sich nicht mehr aufrichten. Ihr Meniskus oder etwas dergleichen hatte Schaden genommen und Tante Ilka musste ins Krankenhaus gebracht werden, wo man sie in der Abteilung 14 unterbrachte.
Kaum untergebracht, trug Tante Ilka der Oberschwester auf, uns alle telefonisch ans Krankenlager zu berufen und uns an ihre, Tante Ilkas, Vorliebe für Käsebrötchen zu erinnern, die im Krankenhaus nur bei schweren Herzattacken verabreicht würden.
Der Familienrat entschied, dass ich der richtige Mann für diesen Auftrag sei. Man händigte mir ein Paket mit in Asche gebackenen Käsebroten aus und bald darauf stand ich vor der doppelten
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