Freiwillig Fräulein: Roman (German Edition)
1
Es war die Hochzeit meiner Träume. Während ich im Vorraum der Kirche auf mein musikalisches Stichwort wartete, konnte ich kaum glauben, wie glatt der Tag bisher verlaufen war. Das Wetter hätte nicht besser sein können. Offenbar zahlte es sich aus, dass ich Gott in den vergangenen zwei Monaten immer wieder um einen nicht zu heißen texanischen Sommertag angefleht hatte. Alle Brautjungfern waren pünktlich zu ihren Frisier-, Schmink- und Nagelterminen erschienen. Und keiner der Freunde des Bräutigams, die ihm während der Trauungszeremonie zur Seite stehen sollten, sah so aus, als hätte er letzte Nacht eine besonders ausschweifende Tour um die Häuser unternommen. Ob das auch auf den Bräutigam zutraf, konnte ich allerdings nicht sagen, weil ich ihn noch nicht zu Gesicht bekommen hatte.
In der Kirche drängten sich unsere engsten Freunde und Familienmitglieder. Die Kirchenbänke, die Kronleuchter und das Altargitter waren mit dunkelroten Rosen, Gardenien und Efeuranken geschmückt. Die Kleider der Brautjungfern hatten dieselbe Farbe wie die Rosen. Rot steht so ziemlich jedem, dem Himmel sei Dank. Mit wenig schmeichelhaften Albträumen von schrecklich hässlichen Brautjungfernkleidern kannte ich mich nur zu gut aus. Ich erinnerte mich an eine besonders scheußliche Kreation in demblassesten aller Mintgrüntöne, in der ich mit meiner hellen Haut richtig erschöpft und krank aussah.
Die ersten Klänge von Pachelbels Kanon in D-Dur rissen mich aus meinen Träumereien. Ich liebte diese Musik, und normalerweise wirkte sie auf mich sehr beruhigend. Aber heute löste sie in meinem Bauch nur wildes Schmetterlingsgeflatter aus. Vor mir öffneten sich die Türen zum Kirchenraum weit und ich tauchte in ein Meer aus Gesichtern ein. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Der Duft der Blumen war so intensiv, dass mir beinahe übel wurde.
Bitte, lass mich nicht stolpern. Bitte, lass mich nicht kotzen.
Zu diesem Mantra schritt ich langsam im Takt der Musik, die Augen nach vorn gerichtet, ein Lächeln ins Gesicht geklebt.
Ich wandte den Blick nach rechts und sah ihn, den einzigen Mann, den ich jemals geliebt hatte. Er sah so gut aus mit seinen goldenen Haaren und den blauesten Augen, die ich je gesehen hatte. Sein Smoking schien wie für ihn gemacht. Ich starrte ihn an und plötzlich zwinkerte er mir fast unmerklich zu. Es versetzte mir einen heftigen Stich ins Herz, während ich am Ende des Mittelganges meinen Platz auf der linken Seite einnahm.
Die Musik verklang und wieder trafen sich unsere Blicke. Ein leises Raunen ging durch die Kirche, als die Orgel triumphierend die ersten Klänge des »Hochzeitsmarsches« anstimmte und sich alle umdrehten, um die Braut zu sehen. Es war zwar die Hochzeit meiner Träume, doch es war nicht meine. Ich wandte den Blick vom Trauzeugen meines Bruders ab und schloss die Augen. All das, was hätte sein können, schoss mir durch den Kopf. Immer, wenn ich dachte, ich hätte die Vergangenheit hinter mir gelassen, tauchte er auf und erinnerte mich daran, wie sehr es noch immer wehtat.
Reiß dich zusammen, Emma. Du bist hier die Trauzeugin, Herrgott nochmal,
ermahnte ich mich. Und die Trauzeugin sollte ganz gewiss nicht so aussehen, als hätte ihr gerade jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt. Ich atmete tief ein, öffnete die Augen, vergewisserte mich, dass mein Lächeln immer noch an Ort und Stelle saß, und konzentrierte mich auf meine neue Schwägerin. Im Laufe der vergangenen Monate hatte ich ihr geholfen, die Hochzeitzu planen und zu organisieren, und in dieser Zeit war Anne wie eine Schwester für mich geworden. In ihrem weißen Satinbrautkleid mit dem Schleier sah sie wunderschön aus. Den Brautstrauß aus dunkelroten Rosen hielt sie auf Taillenhöhe und ihre langen blonden Haare waren zu einem eleganten Knoten geschlungen.
Ich lachte leise in mich hinein, als ich mir den Bräutigam genauer anschaute. Mein wunderbarer kleiner Bruder strahlte, als hätte er das Masters-Golfturnier gewonnen. Als ich sah, wie glücklich Teddy in diesem Augenblick war, verzieh ich ihm die Wahl seines Trauzeugen, alias »Der Mann, der mir das Herz brach«. Allerdings konnte ich Teddy keinen Vorwurf machen, schließlich hatte ich ihm nie erzählt, was wirklich passiert war. Er hätte Steve umgebracht. Teddy hatte mir gegenüber schon immer einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, wenn es um meine Partner ging.
»Liebe Brüder und Schwestern«, hob mein Vater an. Anne wusste, dass Dad
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