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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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vor den anderen auf, wusch sich, zog sich an und ging wie immer zu dem Laden am Newskij Prospekt, um ihre Rationen abzuholen.
    Als sie nach der Arbeit nach Hause kam, tobte ihr Vater vor Wut. Laut brüllend kam er ins Zimmer.
    »Was habe ich denn jetzt schon wieder getan?«, fragte sie müde. Alles war ihr so gleichgültig ...
    Ihr Vater lallte Unverständliches.
    Ihre Mutter war offenbar ebenfalls wütend und erklärte Tatiana, am Abend zuvor sei Mariska gekommen und habe um etwas zu essen gebeten. »Mariska hat gesagt, du würdest ihr seit einer Woche zu essen geben!«, schrie Mama. »Seit einer ganzen Woche!«
    »Oh.« Tatiana blickte ihre Eltern an. »Ja, ich habe Mariska etwas zu essen gegeben. Ihre Eltern sind ständig betrunken und sie kümmern sich nicht um sie. Mama, wir haben doch genug ...« Sie floh in die Küche, während Mama und Papa fortfuhren, sie wüst zu beschimpfen.
    Am nächsten Tag waren Alexander und Dimitri wieder in Leningrad und holten die Mädchen zu einem kurzen Spaziergang ab.
    »Was war denn vorgestern los?«, erkundigte sich Dimitri. »Wir haben die ganze Zeit auf dich gewartet.« »Ich war arbeiten«, antwortete Tatiana, nahm ihre Strickjacke vom Garderobenhaken und ging mit gesenktem Blick hinter Alexander zur Tür hinaus.
    Es war ruhig in Leningrad. Die vier liefen in Richtung Taurischer Garten. An der Ecke der Achten Sowjet war ein Haus ausgebombt worden und die Glassplitter lagen über die Straße verteilt.
    Dimitri und Tatiana schlenderten voraus. Dimitri wollte wissen, warum Tatiana ständig zu Boden schaute. Tatiana zuckte mit den Schultern und antwortete nicht. »Ist die Sache mit Dascha und Alexander nicht fantastisch?«, fragte Dimitri und legte den Arm um Tatiana. »Ja«, erwiderte Tatiana laut. »Es ist fantastisch!« Sie konnte Alexanders Blicke in ihrem Rücken spüren und glaubte, keinen Schritt weitergehen zu können.
    Dascha sagte kichernd: »Ich habe Deda und Babuschka nach Molotow geschrieben. Sie werden sich sehr freuen. Sie haben dich immer schon gemocht, Alexander.« Tatiana stolperte und Dimitri fing sie auf.
    Dascha fuhr fort: »Tania ist ein bisschen mürrisch in letzter Zeit, Dima. Vielleicht solltest du ihr auch einen Antrag machen.«
    Dimitri drückte Tatianas Arm und fragte: »Soll ich, Taneschka? Was meinst du? Soll ich dich bitten, mich zu heiraten?« Tatiana antwortete nicht. Als sie an einer Kreuzung stehen blieben, fragte sie: »Wollt ihr einen Witz hören? >Liebling, wenn wir heiraten, werde ich alle deine Probleme und Sorgen mit dir teilen<, sagt der Mann. >Aber ich habe doch gar keine, Schatz<, erwidert die Frau. Darauf entgegnet der Mann: >Ich sagte, wenn wir heiraten.<«
    »Oh, wie entzückend , Tania«, sagte Dascha. Tatiana lachte gekünstelt und warf den Kopf zurück. Dabei fielen ihr die Haare aus der Stirn und enthüllten eine schwarze, geschwollene Beule über ihrer Augenbraue. Dimitri stöhnte auf und Tatiana senkte sofort wieder den Kopf. Alexander fragte: »Was ist los, Dima?«
    Als Dimitri nicht antwortete, baute er sich vor Tatiana auf und schaute sie prüfend an. »Es ist nichts«, murmelte sie. »Schau mich bitte an!«, verlangte Alexander. Tatiana wäre am liebsten weggelaufen. Aber Dascha und Dimitri standen dicht neben ihr. Sie konnte Alexander einfach nicht in die Augen schauen. Leise wiederholte sie, dass alles in Ordnung sei.
    »Tania ...«, flüsterte Alexander entsetzt, der ganz blass geworden war.
    »Sie ist selbst schuld«, stellte Dascha fest und ergriff Alexanders Arm.
    »Sie wusste ganz genau, dass Papa betrunken war. Trotzdem hat sie ihm widersprochen. Er hat sie angeschrien, weil sie einem kleinen Mädchen zu essen gegeben hat ...« »Er hat mich wegen Mariska angeschrien, aber geschlagen hat er mich, weil seine Laken nicht gewaschen waren«, protestierte Tatiana. »Dabei war das deine Aufgabe.« »Und womit hat er dir eine solche Beule verpasst?«, fragte Dimitri besorgt.
    »Das war wirklich meine Schuld«, gab Tatiana zurück. »Ich habe das Gleichgewicht verloren und bin hingefallen. Die Schublade in der Küche stand offen ... Es ist nicht so schlimm.«
    »Oh, Tania ...«, wiederholte Alexander. » Was?«, fragte Tatiana schneidend und sah ihn an. Er senkte den Blick.
    »Hör zu, ich habe mich einfach nicht darum gekümmert, was Papa gesagt hat«, verteidigte sich Dascha. »Er war betrunken und ich wollte mich nicht mit ihm anlegen.« »Du hast dich nur nicht getraut zuzugeben, dass du die Laken hättest waschen

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