Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
Vom Netzwerk:
müssen. Du hättest dich ja entschuldigen können.«
    »Wozu denn? Er war doch betrunken und hat sowieso nichts mitgekriegt.«
    »Er ist immer betrunken!«, schrie Tatiana. »Immer!« Sie keuchte. Wütend starrte sie ihre Schwester an. »Ach, vergiss es!« Entschlossen überquerte sie die Straße. Während die anderen ihr folgten, hörte Tatiana, wie Alexander zischend einatmete. »Dascha, wir gehen!«, sagte er plötzlich und zog sie am Arm die Straße entlang.
    Dimitri und Tatiana blieben am Suworowskij zurück. Tatiana rang sich ein Lächeln ab und sagte: »Und, Dima, wie geht es dir? Ich habe gehört, die Deutschen haben sich jetzt vollständig verbarrikadiert. Haben denn die Kämpfe aufgehört?« »Tania, lass uns nicht über die Kämpfe reden«, bat Dimitri.
    »Warum nicht? Stimmt es, dass Hitler seinen Männern den Befehl gegeben hat, Leningrad auszulöschen?« Achselzuckend erwiderte Dimitri: »Da musst du Alexander fragen.«
    »Ich habe gehört ...« Tatiana brach ab. »Weißt du was, Dima? Ich glaube, wir sollten besser nach Hause gehen.« »Ich glaube, ich gehe lieber in die Kaserne zurück. Es macht dir doch nichts aus, oder? Ich habe ... noch etwas zu erledigen. In Ordnung?«
    »Natürlich, Dima«, sagte Tatiana und blickte ihn an. Was ging nur in ihm vor?
    »Ich weiß nicht, wann wir uns wiedersehen«, sagte Dimitri. »Meine Einheit soll auf die andere Seite des Flusses geschickt werden. Wenn ich zurück bin, komme ich dich besuchen. Wenn ich zurückkomme. Aber ich schreibe dir, wenn ich kann.« »Mach das!« An der Straßenecke verabschiedete sich Tatiana von Dimitri und sah ihm nach. Sie war nicht traurig, ihn nicht so bald wieder zu treffen.
    Sie machte sich auf den Heimweg, und als sie sich dem Haus näherte, stürzte Alexander gerade aus der Tür. Sie war vielleicht noch zehn Meter von ihm entfernt. Tatiana wollte ihm nicht gegenübertreten, also machte sie kehrt und lief rasch in die entgegengesetzte Richtung. »Tania!«, rief er und rannte ihr nach. Tatiana wich zurück und hob abwehrend die Hände. »Lass mich in Ruhe!«, sagte sie leise. »Lass mich bloß in Ruhe!« »Wo warst du?«, fragte Alexander. »Ich bin drei Tage hintereinander im Laden an der Fontanka gewesen, um dich zu sehen.«
    »Jetzt siehst du mich ja«, erwiderte Tatiana. »Tania, wie konntest du zulassen, dass er dir das antut?« »Diese Frage stelle ich mir auch immer wieder«, gab Tatiana zurück. »Und nicht nur in Bezug auf ihn.« Alexander blinzelte. »Tania ..,«
    »Ich will jetzt nicht mit dir reden!«, schrie Tatiana. Sie trat noch einen Schritt zurück und sagte mit bebender Stimme: »Ich will nie wieder mit dir reden.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Tania, darf ich nicht wenigstens erklären ...«
    »Nein.«
    »Hör mir bitte zu ...«
    »Nein!«
    »Tania ...«
    »Nein!« Sie biss die Zähne zusammen und ging mit geballten Fäusten auf ihn los.
    Er starrte sie ungläubig an. »Du hast versprochen mitzuspielen ...«
    »Ja«, zischte Tatiana, während ihr die Tränen übers Gesicht rannen. »In Bezug auf deine gespielte Gleichgültigkeit. Aber niemals werde ich dir das verzeihen ...«
    Bevor er ihr antworten oder sie aufhalten konnte, war sie schon fort. Schnell hatte sie die Haustür erreicht und rannte die drei Stockwerke zu ihrer Wohnung hinauf. Papa lag nahezu ohne Bewusstsein auf dem Boden im Flur. Mama und Dascha saßen weinend im Zimmer. Tatiana wischte sich über das Gesicht. Hörte das denn nie auf? Marina flüsterte Tatiana zu: »Tania, hier war vielleicht ein Tumult! Du ahnst nicht, was Alexander alles gesagt hat, als er hier hereingestürmt kam! Sieh mal, was er mit der Wand gemacht hat!« Aufgeregt wies sie auf die Flurwand, von der ein Stück abgebröckelt war. »Alexander hat gesagt, dass dein Papa seine Familie im Stich gelassen hat, als sie ihn am meisten brauchte. Er sei seiner Verantwortung nicht nachgekommen, und das vor allem durch seine Trinkerei. Alexander ist hier durchgerollt wie ein Panzer.« Marina war tief beeindruckt. »Er hat gesagt: »Wohin soll sie denn gehen, wenn draußen Bomben fallen und hier der eigene Vater auf sie einprügelt?< Tania, er war überhaupt nicht wiederzuerkennen!«, fuhr Marina fort. »Er hat deiner Mutter gesagt, sie solle deinen Vater ins Krankenhaus bringen. Er hat gesagt: >Sie sind doch eine Mutter, kümmern Sie sich um Ihre Kinder!< Dein Vater war schrecklich betrunken und wollte auf ihn losgehen, aber Alexander hat ihn bei den Schultern gepackt und ihn

Weitere Kostenlose Bücher