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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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immer zu einem Laden an der Fontanka, Ecke Nekrasowa. Ich bin jeden Morgen um sieben da. Stimmt's, Dascha?« »Das weiß ich nicht«, erwiderte Dascha. »Ich bin ja nicht dabei.«
    »Geh bloß nicht durch Straßen, die von Norden nach Süden verlaufen«, sagte Alexander.
    Dascha lachte. »Aber Liebling! Die Bomben fallen doch überall hin!«
    »Woher willst du das denn wissen?«, wies Tatiana sie zurecht. »Du gehst ja immer erst auf die Straße, wenn die Bombardierung vorbei ist.«
    Dascha schlang die Arme um Alexanders Hals und streckte Tatiana die Zunge heraus. »Weil ich eben Verstand habe!« »Und du, Tania?«, fragte Alexander leise und schob Daschas Arme fort. »Du gehst doch hoffentlich auch nur auf die Straße, wenn nicht bombardiert wird?«
    Dascha sagte: »Machst du Witze? Sie hat kein bisschen Verstand. Frag sie doch einmal, wie oft sie in den Luftschutzkeller geht.«
    Alle schwiegen. Alexanders Augen blitzten.
    »Oh«, sagte Tatiana verlegen, » ich bin oft dort. Gestern habe ich unter der Treppe gesessen.«
    »Ja, drei Minuten lang. Alex, sie kann einfach nicht still sitzen.«
    »Sie war doch nicht etwa auf dem Dach, oder?« Niemand sagte etwas. Um Alexanders Blick auszuweichen, beschäftigte sich Tatiana mit der Nähmaschine. »Kann ich denn über den Newskij Prospekt gehen?«, fragte sie ihn, ohne aufzublicken.
    »Bloß nicht! Dort fallen die meisten Bomben. Die Deutschen bemühen sich allerdings sehr, das Hotel Astoria nicht zu treffen. Du weißt doch, wo das Astoria ist, Tania. Direkt an der Isaakskathedrale.« Tatiana wurde knallrot.
    Alexander fuhr hastig fort: »Na ja, ist ja auch egal. Hitler hat auf jeden Fall vor, dort seine Siegesfeier abzuhalten.« Tatiana schwieg. »Wann soll die denn stattfinden?«, fragte sie schließlich.
    »Im Oktober«, erwiderte Alexander. »Hitler glaubt, dass die Einwohner von Leningrad bis Oktober aufgegeben haben. Aber ich bin sicher, es wird länger dauern.« »Was würden wir nur ohne deine Informationen tun, Alexander?«, warf Marina ein.
    Dascha schlang besitzergreifend die Arme um ihn und blickte Marina herausfordernd an. »Hör auf, mit Alexander zu fuchteln! Du kannst ja Dimitri um den Finger wickeln.« »Ja, Marina, nur zu«, murmelte Tatiana und blickte zu Dimitri hinüber, der bewusstlos auf dem Sofa lag. Marina entgegnete: »Was hast du gesagt, Tania? Soll ich das wirklich tun?«
    Tatiana zuckte mit den Schultern. Als sie später dabei war aufzuräumen, wachte Dimitri auf, packte Tatiana am Handgelenk und zog sie zu sich heran. »Taneschka«, murmelte er. Tatiana wehrte sich, aber er hielt sie fest. »Tania«, flüsterte er.
    »Wann kommst du endlich zu mir?« Sein Atem stank furchtbar. »Ich kann es nicht mehr erwarten.« »Dima, lass mich los!«, keuchte Tatiana. »Ich habe noch die Tassen in der Hand.«
    »Er hat wieder zu viel getrunken«, sagte Mama missbilligend. Tatiana spürte, dass Alexander direkt hinter ihr stand. Er stieß Dimitris Arme weg und half Tatiana beim Aufstehen. »Er trinkt wirklich zu viel.« Verstohlen drückte er ihren Arm und ließ sie dann los.
    »Was ist bloß los mit ihm, Tania?«, fragte Mama. »Er kommt mir in der letzten Zeit so mürrisch und schweigsam vor. Und er ist dir gegenüber gar nicht mehr so aufmerksam.« »Er ist nicht mehr an mir interessiert«, erwiderte Tatiana. »Ich glaube, er hat Angst vorm Sterben.« Dann drehte sie sich um und ging, ohne Alexander eines Blickes zu würdigen, in die Küche. Marina und Babuschka sahen ihr prüfend nach. Dascha hatte von dem Vorfall nichts mitbekommen. Sie war im Nebenzimmer und kümmerte sich um Papa.

    Tatiana hatte geglaubt, sie könne alles ertragen. Eines Abends jedoch, nachdem sie von der Arbeit nach Hause gekommen war und kurz darauf erschöpft im Luftschutzkeller saß, ließ sich Dascha auf die Bank neben Tatiana fallen und rief aufgeregt: »Wisst ihr was? Alexander und ich heiraten!« Die Kerosinlampe war hell und so konnte wahrscheinlich jeder sehen, wie entsetzt Tatiana war. Nur Dascha strahlte und nahm nichts wahr.
    Marina sagte: »Das ist ja großartig, Dascha! Herzlichen Glückwunsch.«
    »Ach, Daschenka, endlich wird eine meiner Töchter eine eigene Familie haben! Wann soll die Hochzeit denn stattfinden?«, erkundigte sich Mama aufgeregt. Papa, der neben Mama saß, murmelte irgendetwas Unverständliches. »Tania? Hast du gehört?«, fragte Dascha. »Ich heirate!« »Ich habe es gehört, Dascha«, erwiderte Tatiana. Als sie sich abwandte, begegnete sie

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