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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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mehr. Ich will nicht, dass du ihren Tod auf dem Gewissen hast.«
    Widerstrebend ließ Alexander das Gewehr sinken. Dann hob er die Tasche mit dem Brot auf, legte den Arm um Tatiana und begleitete sie durch die eisige Kälte nach Hause. »Weißt du, was mit dir passiert wäre, wenn ich nicht da gewesen wäre?«, fragte er.
    »Ja«, erwiderte sie. »Das Gleiche, was mit mir passiert, wenn du da bist.«
    Am nächsten Morgen brachte Alexander ihr eine Pistole mit. Nicht seine eigene Tokarew, sondern eine deutsche Pistole, eine automatische P-3 8, die er vor zwei Monaten in Pulkowo gefunden hatte.
    »Denk daran: Diese Jungen sind feige. Sie überfallen dich nur, weil sie glauben, leichtes Spiel mit dir zu haben. Du brauchst die Pistole gar nicht zu benutzen, du musst sie ihnen nur zeigen. Dann lassen sie dich in Ruhe.« »Shura, ich habe noch nie ...«
    »Es ist Krieg, Tania!«, rief er aus. »Weißt du noch, wie du mit Pascha immer Krieg gespielt hast? Genauso machst du es jetzt auch. Du musst nur immer daran denken, dass jetzt mehr auf dem Spiel steht.«
    Dann gab er ihr eine Hand voll Rubel.
    »Was ist das?«
    »Tausend Rubel«, sagte er. »Das ist die Hälfte meines monatlichen Solds. Es gibt zwar offiziell keine Nahrungsmittel, aber auf dem Schwarzmarkt kannst du immer noch etwas bekommen. Geh hin und kümmere dich nicht um die Preise. Kauf einfach alles, was du brauchst. Ich lasse dich nicht gern allein, aber ich muss. Oberst Stepanow schickt mich mit unseren Lastwagen und Männern zum Ladogasee.« »Danke«, flüsterte sie.
    Alexander verzog das Gesicht. »Die Mädchen müssen mit dir zum Laden gehen, Tatia. Bitte, geh nicht mehr allein. Ich komme frühestens in einer Woche oder in zehn Tagen zurück. Vielleicht auch erst später. Aber mach dir keine Sorgen um mich.« Er schwieg. »Wir haben Tikhvin verloren«, sagte er dann grimmig. »Dimitri hat sich gerade noch rechtzeitig in den Fuß geschossen. Tikhvin war ...« Er brach ab. »Ach, egal.« »Ich kann es mir vorstellen.«
    Nickend fuhr er fort: »Auf der anderen Seite des Sees fährt kein Zug mehr. Lebensmittel könnten nur über den Ladogasee nach Leningrad gelangen, aber mittlerweile gibt es keine Möglichkeit mehr, sie bis zum See zu transportieren. Das Brot, das du im Moment bekommst, ist aus Reservemehl gebacken. Wir müssen Tikhvin und damit die Eisenbahnlinie zurückerobern. Wenn das nicht gelingt, gibt es keine realistische Möglichkeit mehr, die Stadt mit Nahrungsmitteln zu versorgen.« »Oh nein«, erwiderte sie.
    »Doch. Die Regierung hat befohlen, dass wir eine Straße durch die kaum bewohnten Ortschaften im Norden in der Nähe von Zaborje bauen sollen, die zum anderen Ufer des Sees führt. Es hat dort noch nie eine Straße gegeben, aber es bleibt uns nichts anderes übrig. Entweder bauen wir sie oder wir sterben.« »Und wie transportierst du von da aus Nahrungsmittel über einen See, der noch nicht zugefroren ist?« Tatiana erschauerte. Alexander blickte sie aus seinen braunen Augen traurig an. »Wenn wir Tikhvin nicht zurückerobern, gibt es sowieso keine Nahrungsmittel, ganz gleich ob der See zugefroren ist oder nicht. Ohne Tikhvin haben wir keine Chance. Überhaupt keine.« Zögernd fügte er hinzu: »Pass gut auf eure Vorräte auf. Die Rationen werden noch einmal reduziert.« »Wir haben nicht mehr viel, Shura«, flüsterte sie. Während sie zur Ecke Newskij und Litejnyj gingen, wo er sich von ihr verabschieden wollte, sagte Alexander: »Gestern hast du mich vor deiner Familie Shura genannt. Du musst vorsichtiger sein. Deine Schwester merkt sonst etwas.« »In Ordnung«, erwiderte Tatiana traurig. »Ich werde vorsichtiger sein.«
    Auf dem Schwarzmarkt kaufte Tatiana nicht ganz ein Pfund Mehl für fünfhundert Rubel. Außerdem erstand sie ein Pfund Butter für dreihundert Rubel, etwas Sojamilch und ein kleines Päckchen Hefe.
    Zu Hause hatten sie noch etwas Zucker, so dass sie Brot backen konnte.
    Zu mehr reichte Alexanders halber Monatssold nicht - ein Laib Brot und ein wenig Butter. Essen für einen Abend. Zumindest hatte Alexander ihnen noch Holz für den Ofen dagelassen und sogar ein wenig Kerosin.
    Sie brachen das Brot, das Tatiana gebacken hatte, in fünf Portionen und aßen es mit Messer und Gabel. Danach dankte Tatiana im Stillen Gott dafür, dass es Alexander gab.
    Es war jetzt morgens beim Aufstehen noch dunkel. Wegen der Kälte hatten sie die Fenster mit Decken verhängt, doch somit drang auch kein Licht in die Wohnung.

    Was für

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