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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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Tatiana erschöpft. »Du bringst ihn noch um.«
    Es überraschte sie, dass ihre Familie nicht wütender auf sie war.
    Aber dann erfuhr sie, dass Alexander ihnen Öl, Sojabohnen und eine halbe Zwiebel mitgebracht hatte. Dascha hatte noch einen Teelöffel Mehl und etwas Salz dazugegeben und einen köstlichen Eintopf daraus gekocht. »Wo ist denn der Eintopf?«, fragte Tatiana.
    »Es war nicht viel, Taneschka«, erwiderte Dascha. »Wir haben gedacht, du würdest irgendwo etwas zu essen bekommen«, fügte Mama hinzu. »Du hast doch gegessen, oder?«, fragte Babuschka. »Wir waren so hungrig«, murmelte Marina. »Ja«, sagte Tatiana entmutigt, »macht euch keine Gedanken um mich.«
    Gegen acht kam Alexander zurück. Er hatte sie drei Stunden lang gesucht. Sofort fragte er: »Was ist passiert?« Tatiana erzählte es ihm.
    »Wo bist du den ganzen Tag über gewesen?«, wollte er wissen.
    Er redete mit ihr, als seien sie allein im Zimmer.
    »Ich war im Krankenhaus, weil ich gehofft habe, von dort etwas zu essen mitbringen zu können.«
    »Aber sie hatten nichts?«
    »Nicht viel. Ich habe etwas Hafergrütze gegessen.« Weißes Wasser.
    »Ist schon gut.« Alexander zog seinen Mantel aus. »Es gibt Eintopf.«
    Verlegenes Hüsteln. Betretene Gesichter. Alexander wandte sich an Dascha. »Ich habe dir doch Sojabohnen mitgebracht, Dascha! Du hast gesagt, du wolltest Eintopf daraus kochen.«
    »Das habe ich auch getan, Alexander«, erwiderte Dascha verlegen. »Aber es war so wenig. Wir haben alles aufgegessen.« »Ihr habt alles gegessen und ihr nichts übrig gelassen?« Alexander lief rot an.
    »Alexander, es ist schon in Ordnung«, warf Tatiana rasch ein. »Sie haben dir ja auch nichts übrig gelassen.« Dascha lachte nervös, »Du kannst schließlich in der Kaserne essen, und Tania hat gesagt, sie hat etwas gegessen, Liebster.« »Sie lügt!«, schrie er.
    »Doch, ich habe gegessen«, sagte Tatiana.
    »Du lügst!«, schrie Alexander wieder. »Ich verbiete dir, ihnen noch einmal ihre Rationen zu holen. Gib ihnen ihre Lebensmittelkarten zurück. Sie sollen sich ihr verdammtes Essen selbst holen! Ich will nie wieder erleben, dass du ihnen ihr Brot holst, wenn sie dir noch nicht einmal etwas von dem Essen aufheben können, dass ich mitbringe!«
    Tatiana stand ganz still. Sie liebte ihn in diesem Moment so sehr, dass sie an nichts anderes denken konnte. Alexander wandte sich zu Dascha um und fuhr atemlos fort: »Wer holt denn das Brot für dich, wenn sie stirbt? Wer bringt euch Suppe von der Arbeit mit? Wer bringt euch Hafergrütze?« Unbehaglich warf Mama ein: »Die Hafergrütze bringe ich aus der Fabrik mit.«
    »Ja, und Sie essen die Hälfte davon, bevor Sie nach Hause kommen!«, schrie Alexander. »Glauben Sie, ich weiß das nicht? Glauben Sie, ich weiß nicht, dass Marina ihre Rationen aufbraucht, bevor der Monat um ist, und dann von Tania, die sich zusammenschlagen lässt, während ihr alle noch schlaft, Brot verlangt?«
    »Ich schlafe nicht, ich nähe«, erwiderte Mama. »Ich nähe jeden Morgen.«
    »Tania«, sagte Alexander, »du holst ihnen nicht noch einmal ihre Rationen. Verstanden?«
    Tatiana murmelte, sie wolle sich jetzt waschen gehen. Als sie zurückkam, saß Alexander rauchend am Tisch. Er hatte sich ein wenig beruhigt. »Komm her«, sagte er leise.
    Marina war mit Mama im anderen Zimmer. Babuschka war zu Nina Iglenko gegangen.
    »Wo ist Dascha?«, fragte Tatiana und trat langsam auf Alexander zu.
    »Sie holt bei Nina einen Dosenöffner. Komm her.« Tatiana blieb vor ihm stehen und sagte: »Shura, bitte. Du wolltest dich zurückhalten. Du hast es mir versprochen.« Er starrte auf ihren Pullover.
    »Mach dir keine Sorgen«, flüsterte sie. »Mir geht es gut.« »Du machst alles nur noch schlimmer für mich«, erwiderte Alexander. Er legte ihr die Hand auf die Hüfte und stöhnte wütend auf. Tatiana lehnte sich an ihn und presste ihre Stirn gegen seine. Einen Moment lang verharrten sie so. Als sie sich voneinander lösten, sagte er: »Ich habe etwas für dich, Tania.« Er zog eine kleine Metalldose aus seiner Jackentasche.
    Dascha trat wieder ins Zimmer. »Hier ist der Dosenöffner. Wozu brauchst du ihn überhaupt?«
    Alexander öffnete die kleine Dose damit und zerschnitt den Inhalt mit seinem Messer in kleine Stücke. Er reichte Tatiana die Dose. »Na los, probier es.«
    »Was ist das?«, fragte sie lächelnd. Es war das Köstlichste, was sie jemals gegessen hatte. Es schmeckte nach Schinken, Wurst und Schweinefleisch

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