Die Liebeshandlung
zurück.
Leonards Mutter lehnte es ab, auch nur darüber nachzudenken. Sie meinte, sie würde die Anstrengung eines Umzugs nicht verkraften, schon gar nicht in ein Spukhaus. Rita verbrachte die meisten Tage in ihrem Schlafzimmer, blätterte in Zeitschriften oder sah sich, mit ihrem «Wasser»-Glas auf dem Nachttisch, die
Mike Douglas Show
an. Gelegentlich wütete sie wie ein Wirbelwind durch den Haushalt, dekorierte an Weihnachten jede freie Fläche oder kochte raffinierte Sechs-Gänge-Menüs. Solange Leonard sich erinnern konnte, war seine Mutter entweder auf dem Rückzug vor anderen gewesen oder hatte entschlossen versucht, sie zu beeindrucken. Der einzige andere genauso unvorhersehbare Mensch, den er kannte, war Frank.
Das war ein lustiges Gesellschaftsspiel: Von welcher Seite der Familie stammte seine psychische Labilität? Es gab so viele mögliche Quellen, so viele verdorbene Früchte in den Stammbäumen der Bankhead- und der Richardson-Sippe. Auf beiden Seiten wimmelte es von Alkoholikern. Ritas Schwester Ruth hatte, sexuell und finanziell, ein wildes Leben geführt. Sie war mehrmals verhaftet worden und hatte seines Wissens mindestens einmal versucht, sich das Leben zu nehmen. Dann gab es Leonards Großeltern, deren Rechtschaffenheitetwas Verzweifeltes an sich hatte, als hielte sie eine Flut zügelloser Triebe zurück. Trotz der Zugeknöpftheit seines Vaters wusste Leonard, dass er sowohl depressiv als auch misanthropisch war und, betrunken, gern über «den Plebs» herzog oder Anfälle von Grandiosität bekam, die ihn davon sprechen ließen, nach Europa zu ziehen und auf großem Fuß zu leben.
Das Haus entsprach Franks Selbstbild. Es war viel schöner und größer, als er es sich sonst hätte leisten können, mit detailreichen Holzarbeiten im Salon, einem gekachelten Kamin und vier Schlafzimmern. Eines Nachmittags kam er früh aus dem Geschäft und nahm Rita und Leonard mit, damit sie sich das Haus ansahen. Dort angekommen, weigerte Rita sich auszusteigen. Also nahm Frank den erst siebenjährigen Leonard allein mit hinein. Sie machten mit dem Makler einen Rundgang durchs Haus, und Frank zeigte Leonard, wo im Erdgeschoss sein Zimmer sein würde und wo im Garten er sich, wenn er wollte, ein Baumhaus bauen könnte.
Dann brachte er ihn zurück zum Auto, wo Rita saß.
«Leonard will dir was erzählen», sagte Frank.
«Was?», sagte Leonard.
«Stell dich nicht dumm. Du weißt genau, was.»
«Es sind keine Blutflecke da, Mom», sagte Leonard.
«Und?», drängte Frank.
«Der ganze Fußboden ist nagelneu. Im Eingang. Er ist neu gefliest.»
Rita blieb stocksteif auf dem Vordersitz sitzen. Sie trug eine Sonnenbrille, wie immer, wenn sie aus dem Haus ging, sogar im Winter. Schließlich trank sie einen großen Schluck aus ihrem «Wasser»-Glas – sie hatte es, mitsamt klimpernden Eiswürfeln, immer dabei – und stieg aus.
«Nimm meine Hand», sagte sie zu Leonard. Zusammen,ohne Frank, gingen sie die Außentreppe hinauf und über die Veranda ins Haus. Zusammen sahen sie sich alle Zimmer an.
«Was meinst du?», fragte Rita, als sie damit fertig waren.
«Es ist schon ein schönes Haus.»
«Würde es dich nicht stören, hier zu wohnen?»
«Weiß ich nicht.»
«Was ist mit deiner Schwester?»
«Die
will
hier einziehen. Dad hat ihr erzählt, wie es hier aussieht. Er hat gesagt, sie kann sich ihren eigenen Teppich aussuchen.»
Bevor Rita sich entschied, verlangte sie, dass Frank sie zum Essen ins Bryant’s ausführte. Leonard wollte nach Hause und Baseball spielen, aber sie zwangen ihn mitzukommen. Im Bryant’s bestellten Frank und Rita Martinis, und zwar etliche. Es dauerte nicht lange, bis sie lachten und sich küssten und über Leonards Widerwillen gegen die Austern, die sie bestellt hatten, lästerten. Rita hatte plötzlich beschlossen, der Mord sei eine Attraktion. Er verleihe dem Haus eine «Geschichte». In Europa seien die Menschen daran gewöhnt, in Häusern zu wohnen, in denen andere ermordet oder vergiftet worden seien.
«Ich weiß gar nicht, weshalb du so eine Angst hast, da zu wohnen», schalt sie Leonard.
«Ich habe keine Angst», sagte er.
«Ich habe noch nie so ein Getue erlebt, du?», fragte sie Frank.
«Nein, noch nie», sagte Frank.
«Ich habe kein Getue gemacht», sagte Leonard wütend. «
Du
hast ein Getue gemacht. Mir ist es egal, wo wir wohnen.»
«Na gut, vielleicht nehmen wir dich nicht mit, wenn du dich weiter so anstellst!»
Sie lachten und tranken, während Leonard
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