Die Liebeshandlung
rechten Zeit in New York angekommen.
Jede Woche, wenn die Ältesten einander die Hand schüttelten und damit das Zeichen gaben, dass das Meeting zu Ende war, öffnete Mitchell die Augen und musste erkennen, dass er weder seinen Geist zum Verstummen gebracht hatte noch zum Sprechen bewogen worden war. Er ging hinaus zum Picknicktisch, wo Claire Ruth Saft und Obst aufbaute, und nachdem er eine Weile geplaudert hatte, machteer sich auf den Weg zurück zum fortdauernden Drama bei den Hannas.
In den ersten Tagen nach Leonards Abgang hatten sie sich darauf konzentriert, ihn zu suchen. Alton nahm Verbindung zur Polizei von Stadt und Staat New York auf und bekam beide Male gesagt, wenn ein Mann seine Frau verlasse, sei das eine persönliche Angelegenheit, es erfülle nicht die Bedingungen für eine Vermisstenanzeige. Als Nächsten hatte Alton Dr. Wilkins im Penn Medical Center angerufen. Als er den Psychiater fragte, ob er Leonard gesehen habe, hatte Wilkins sich auf die ärztliche Schweigepflicht berufen und die Antwort verweigert. Das fuchste Alton, denn er hatte Leonard nicht nur überhaupt erst an Wilkins verwiesen, sondern auch die Behandlung bezahlt. Allerdings wies Wilkins’ Schweigen darauf hin, dass Leonard in Kontakt zu ihm stand und wahrscheinlich noch in der Gegend war. Außerdem ließ es annehmen, dass Leonard seine Medikamente nahm.
Daraufhin begann Mitchell alle, die er in New York kannte, anzurufen und zu fragen, ob jemand Bankhead gesehen oder mit ihm gesprochen habe. Innerhalb von zwei Tagen erreichte er drei verschiedene Leute – Jesse Kornblum, Mary Stiles und Beth Tolliver –, die das von sich behaupteten. Mary Stiles sagte, Bankhead halte sich im Stadtteil DUMBO auf, wohne im Loft einer nicht näher bezeichneten Person. Jesse Kornblum war so oft von Bankhead an seinem Arbeitsplatz angerufen worden, dass er am Ende dessen Anrufe nicht mehr entgegennehmen durfte. Beth Tolliver hatte Bankhead in einem Diner in Brooklyn Heights getroffen und sagte, dass er traurig über das Ende seiner Ehe gewesen zu sein schien. «Ich hatte den Eindruck, Maddy hätte
ihn
sitzenlassen», sagte sie. Das war für länger als eine Woche der Stand, bis Phyllida darauf kam, Bankheads Mutter in Portland anzurufen,und von Rita erfuhr, dass Leonard die letzten beiden Tage in Oregon gewesen war.
Phyllida beschrieb das Telefongespräch als eines der seltsamsten ihres Lebens. Rita tat, als ginge es um eine Bagatelle, wie eine Trennung zweier Schüler. Ihrer Meinung nach hatten Leonard und Madeleine einen dummen Fehler gemacht, und Rita und Phyllida als Mütter hätten es doch die ganze Zeit kommen sehen müssen. Dagegen hätte Phyllida sich verwahrt, wenn nicht so offensichtlich gewesen wäre, dass Rita getrunken hatte. Phyllida blieb lange genug am Telefon, um festzustellen, dass Leonard, nachdem er zwei Nächte bei seiner Mutter verbracht hatte, mit einem alten Schulfreund namens Godfrey in eine Hütte im Wald gegangen war, wo sie den Sommer über leben wollten.
An diesem Punkt verlor Phyllida die Contenance. «Mrs. Bankhead», sagte sie, «also, ich bin, ich bin – ich weiß nicht, was ich sagen soll! Madeleine und Leonard sind noch verheiratet. Leonard ist der Mann meiner Tochter,
mein
Schwiegersohn, und Sie erzählen mir gerade, er sei auf und davon, um im Wald zu leben!»
«Sie haben gefragt, wo er ist. Ich habe es Ihnen gesagt.»
«Ist Ihnen in den Sinn gekommen, dass Madeleine das vielleicht auch gern wissen möchte? Ist Ihnen in den Sinn gekommen, dass wir uns Sorgen um Leonard machen könnten?»
«Er ist ja erst seit gestern weg.»
«Und wann hatten Sie vor, uns das mitzuteilen?»
«Ich bin mir nicht sicher, ob mir Ihr Ton gefällt.»
«Mein Ton ist nicht das Thema. Das Thema ist, dass Leonard nach zweimonatiger Ehe zu Madeleine gesagt hat, er wolle sich scheiden lassen. Was Madeleines Vater und ich ermitteln möchten, ist, ob Leonard das ernst meint und beivollem Verstand ist oder ob das ein weiterer Aspekt seiner Krankheit ist.»
«Welcher Krankheit?»
«Seiner manischen Depression!»
Rita lachte gedehnt, mit einem satten, kehligen Glucksen. «Leonard war schon immer theatralisch. Er hätte Schauspieler werden sollen.»
«Haben Sie eine Telefonnummer von Leonard?»
«Ich glaube nicht, dass sie da in der Hütte Telefon haben. Es ist ziemlich rustikal.»
«Glauben Sie, Sie werden in nächster Zeit mal von ihm hören?»
«Das ist bei Leonhard schwer zu sagen. Ich hatte seit der Hochzeit
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