Die Liebeshandlung
gezogen und hatte ein Verhältnis mit einem Vierzigjährigen. Tony Perotti, der Campus-Anarchist, war umgefallen und studierte jetzt Jura. Thurston Meems hatte eine Kassette mit eigener pseudonaiver Musik aufgenommen, bei der er sich auf dem Keyboard begleitete. Das war alles einigermaßen amüsant, bis Schneider plötzlich sagte: «Ach, Scheiße! Hab ich vergessen. Deine Freundin Madeleine hat geheiratet! Tut mir leid, Mann.»
Mitchell ließ sich nichts anmerken. Die Nachricht war so niederschmetternd, dass er sie nur ertragen konnte, indem er vorgab, nicht überrascht zu sein. «Ich wusste, dass das passieren würde», sagte er.
«Tja, Bankhead hat Glück. Sie ist sexy. Ich weiß allerdings nicht, was sie an dem Typen findet. Der sieht doch aus wie Lurch der Butler.» Schneider schwadronierte weiter über Bankhead und Typen wie Bankhead, große Typen mit massenhaft Haaren, während Mitchell bitter schmeckenden Schaum von seinem Starkbier schlürfte.
Diese vorgetäuschte Gefühllosigkeit brachte ihn über die nächsten Minuten. Und da es so gut klappte, behielt Mitchell sie am nächsten Tag noch bei, bis all diese unverarbeiteten Gefühle ihn in der Nacht darauf um vier Uhr mit der Wucht eines Messerstichs weckten. Er lag mit weit offenen Augen auf Schneiders schäbig schicker Couch. Drei verschiedene Autoalarmanlagen gingen los, jede anscheinend mitten in seiner Brust.
Die nächsten Tage gehörten zu den schmerzlichsten in Mitchells Leben. Er lief, schwitzend und einen kindischen Drang zum Heulen niederkämpfend, durch die backofenheißen Straßen. Er fühlte sich, als wäre ein riesengroßer Stiefel vom Himmel gekommen und hätte ihn wie eine Zigarettenkippe unter dem Absatz auf dem Pflaster zertreten. Immer wieder dachte er: «Ich habe verloren. Ich bin tot. Er hat mich umgebracht.» Es war beinahe lustvoll, sich so abzuwerten, also machte er weiter. «Ich bin nichts als ein Stück Scheiße. Ich hatte nie eine Chance. Es ist lachhaft. Sieh mich an. Sieh doch. Hässliches kahlköpfiges verrücktes religiöses blödes STÜCK SCHEISSE!»
Er verachtete sich. Er entschied, dass sein Glaube, Madeleine werde ihn heiraten, auf dieselbe Leichtgläubigkeit zurückzuführenwar, die ihn zu der Annahme verleitet hatte, er könnte das Leben eines Heiligen führen, indem er die Kranken und Sterbenden in Kalkutta pflegte. Es war dieselbe Leichtgläubigkeit, die ihn veranlasst hatte, das Jesusgebet zu sprechen und ein Kreuz zu tragen und zu meinen, er könnte Madeleine davon abhalten, Bankhead zu heiraten, indem er ihr einen Brief schickte. Seine Verträumtheit, seine Schwärmerei – seine intelligente Dummheit – waren für alles verantwortlich, was an ihm idiotisch war, für sein Hirngespinst, Madeleine zu heiraten, und die Selbstentäußerungen, die ihn dagegen absicherten, es wahr werden zu lassen.
Am übernächsten Abend gab Schneider eine Party, und alles änderte sich. Mitchell, dem nicht gerade nach Feiern zumute war, hatte die Wohnung verlassen, als die Party allmählich in Gang kam. Nachdem er fünf- oder sechsmal den Block umrundet hatte, war er in Schneiders Wohnung zurückgekehrt, um sie noch voller vorzufinden. Geduckt huschte er ins Schlafzimmer, um Trübsal zu blasen, und stand auf einmal seiner Nemesis gegenüber, Bankhead, der rauchend auf dem Bett saß. Zu Mitchells weiterer Überraschung hatten Bankhead und er sich in ein ernsthaftes Gespräch vertieft. Mitchell war natürlich bewusst, dass, wenn Bankhead auf der Party war, Madeleine auch da sein musste. Ein Grund, weshalb er unentwegt mit Bankhead weitergeredet hatte, war, dass er sich zu sehr davor fürchtete, das Schlafzimmer zu verlassen und ihr über den Weg zu laufen. Aber dann tauchte Madeleine von selbst auf. Zunächst tat Mitchell so, als hätte er sie nicht bemerkt, aber schließlich drehte er sich um – und es war so, wie es immer war. Madeleines bloße physische Präsenz traf ihn mit voller, erschütternder Wucht. Er fühlte sich wie der Typ in dem Werbespot für Maxell-Kassetten, dem esdie Haare waagerecht nach hinten weht, obwohl er selbst gar keine Haare hatte. Danach ging es schnell. Aus irgendeinem Grund verscheuchte Bankhead Madeleine. Wenig später verließ er die Party. Mitchell schaffte es, mit Madeleine zu sprechen, bevor auch sie ging. Aber fünfundzwanzig Minuten später kehrte sie sichtlich verstört zurück und suchte Kelly. Als sie stattdessen Mitchell sah, war sie geradewegs zu ihm gekommen, hatte ihr Gesicht an seine
Weitere Kostenlose Bücher