Die Liebeshandlung
Ankunft aus Boston wartete. Am Vorabend hatte Phyllida überraschend mit der Nachricht angerufen, Alwyn habe ihren Ehemann, Blake, verlassen und sie, Phyllida, sei nach Boston geflogen, um sich vermittelnd einzuschalten. Sie hatte Alwyn im Hotel Ritz angetroffen, in dem sie, ihre AmEx-Partnerkarte ausschöpfend, nun residierte, während sie durch Boten flaschenweise Muttermilch zu ihrem Haus in Beverly bringen ließ, wo sie ihr Baby, den sechs Monate alten Richard, der Obhut seines Vaters überlassen hatte. Nachdem es Phyllida nicht gelungen war, Alwyn zur Rückkehr nach Hause zu bewegen, hatte sie beschlossen, mit ihr nach Cape Cod zu fahren, in der Hoffnung, Madeleine könne sie irgendwie zur Vernunft bringen. «Ally will aber nur den Tag über bleiben», sagte Phyllida. «Sie will nicht, dass wir uns gegen sie verschwören. Wir kommen morgens an und fliegen nachmittags zurück.»
«Was soll ich ihr denn sagen?», hatte Madeleine gefragt.
«Sag ihr einfach, was du denkst. Sie hört auf dich.»
«Warum redet Daddy nicht mit ihr?»
«Hat er schon. Irgendwann haben sich die beiden nur noch angebrüllt. Ich bin am Ende meiner Weisheit, Maddy. Du brauchst gar nichts zu tun. Sei einfach nur du selbst, einfühlsam und vernünftig.»
Als sie das hörte, hätte Madeleine beinahe losgelacht. Sie, die hoffnungslos in jemanden verliebt war, der schon zweimal wegen manisch-depressiver Schübe stationär behandelt werden musste! In den letzten vier Monaten hatte sie, statt sich auf ihre «Karriere» zu konzentrieren, Leonard gesund gepflegt, für ihn gekocht und gewaschen, seine Ängste beschwichtigt und ihn aufgemuntert, um ihn aus seinen häufig niedergeschlagenen Stimmungen zu reißen.Sie hatte die schlimmen Nebenwirkungen seiner neuen, höheren Lithium-Dosierung ertragen. Ohne Zweifel war es größtenteils auf all dies zurückzuführen, dass Madeleine sich eines Abends Ende August vor dem Chumley’s an der Bedford Street in den Armen von Mitchell Grammaticus wiedergefunden und ihn geküsst und es genossen hatte, bevor sie nach Providence und an Leonards Krankenbett zurückgeflogen war. Einfühlsam oder vernünftig war wirklich das Letzte, wofür sie sich hielt. Sie hatte gerade angefangen, ein Erwachsenenleben zu führen, und sich noch nie so verletzlich, furchtsam und durcheinander gefühlt.
Nachdem sie im Juni aus ihrem Zimmer in der Benefit Street ausgezogen war, hatte Madeleine sich allein in Leonards Wohnung aufgehalten, bis er aus dem Krankenhaus kam. Sie fand es aufregend inmitten all der Sachen, die ihr anvertraut waren. Sie ließ seine Arvo-Pärt-Platten auf der Stereoanlage laufen, während sie, genau wie Leonard es immer machte, auf der Couch lag und mit geschlossenen Augen zuhörte. Sie blätterte seine Bücher durch, las, was er an den Rand geschrieben hatte. Neben komplexe Abschnitte von Nietzsche oder Hegel hatte er Gesichter gemalt, manche lächelnd, andere missbilligend, oder einfach nur ein «!» gesetzt. Nachts schlief sie in einem seiner Hemden. Alles in der Wohnung war noch genau so, wie Leonard es zurückgelassen hatte, als er ins Krankenhaus gebracht worden war. Auf dem Fußboden lag ein aufgeschlagenes Notizbuch, in dem er offenbar hatte ausrechnen wollen, wie lange sein Geld noch reichen würde. Die Badewanne war voller Zeitungen. Manchmal hätte Madeleine darüber weinen mögen, wie viel die Leere dieser Wohnung von seinem Alleinsein in der Welt verriet. Nirgendwo ein Bild seiner Eltern oder seiner Schwester. Dann, eines Morgens, als sie ein Buch aufhob, fand sie ein Foto darunter.Es war eines, das Leonard beim ersten Ausflug aufs Cape von ihr gemacht hatte und sie zeigte, wie sie lesend auf einem Motelbett einen Klondike-Riegel aß.
Nach drei Tagen, unfähig, den Schmutz noch eine Minute länger zu ertragen, hielt sie es nicht mehr aus und begann zu putzen. Im Star Market kaufte sie einen Schrubber, einen Eimer, ein Paar Gummihandschuhe und ein Sortiment von Reinigungsmitteln. Sie wusste, schon während sie es tat, dass sie einen negativen Präzedenzfall schuf. Sie wischte den Fußboden, kippte eimerweise schwarzes Wasser in die Toilette. Sieben Küchenrollen verbrauchte sie, um die Schmiere vom Badezimmerboden abzureiben. Sie schmiss den verschimmelten Duschvorhang weg und kaufte einen neuen, in Hellrosa, als Rache. Sie warf alles aus dem Kühlschrank in den Müll und scheuerte die Fächer. Nachdem sie Leonards Matratze abgezogen hatte, knüllte sie die Laken mit der Absicht zusammen, sie
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