Die Liebeshandlung
Durchbruchs.»
«Nehmen wir an, es wird kein großer Durchbruch», sagte Madeleine. «Wie willst du wissen, ob dir nicht was für einen kleinen einfällt, der den Menschen am Ende nützlich ist? Ich meine, vielleicht findest du nicht heraus, dass der Weltraum krumm ist. Aber vielleicht tust du eine Möglichkeit auf, Autos mit Wasser anzutreiben, sodass sie keine Luftverschmutzer mehr sind.»
«Einen Hydrogenmotor zu erfinden, das wäre ein unerhörterDurchbruch», sagte Leonard finster und zündete sich eine Zigarette an.
«Ja, aber nicht alle Wissenschaftler waren jung. Was ist mit Galileo? Wie alt war der? Was ist mit Edison?»
«Können wir aufhören, darüber zu reden?», sagte Leonard. «Ich werde ganz deprimiert davon.»
Das ließ Madeleine verstummen.
Leonard zog an seiner Zigarette und blies den Rauch geräuschvoll aus. «Nicht
depressiv
deprimiert», sagte er nach einer Weile.
So hingebend Madeleine ihn auch umsorgte und so befriedigend es war, seine gesundheitlichen Fortschritte zu sehen, musste sie die stickige Einzimmerwohnung doch manchmal verlassen. Um der Luftfeuchtigkeit zu entkommen, ging sie in die klimatisierte Bibliothek. Sie spielte Tennis mit zwei Spielern aus der Brown-Tennismannschaft. An manchen Tagen spazierte sie, um nicht gleich in die Wohnung zurückkehren zu müssen, allein über den leeren Campus und versuchte, so gut sie konnte, ein paar Minuten an sich selbst zu denken. Sie schaute bei Professor Saunders vorbei, aber der Anblick des betagten Gelehrten in Shorts und Sandalen verwirrte sie nur. Sie durchstöberte die Regale des Buchladens von College Hill, suchte tugendhaft, mit der festen Absicht, sie zu lesen, gebrauchte Exemplare von Dickens’
Klein Dorrit
und Trollopes
Vikar von Bullhampton
heraus. Gelegentlich verwöhnte sie sich mit einer Tüte Eis und setzte sich auf die Stufen des Hospital-Trust-Gebäudes, beobachtete andere junge Paare, die Hand in Hand oder sich küssend vorbeigingen. Sobald das Eis aufgegessen war, kehrte sie in die Wohnung zurück, wo Leonhard schon wartete.
Den gesamten Juli über blieb sein Zustand heikel. Im August jedoch sah es so aus, als würde er die Kurve kriegen. Hinund wieder schien er ganz der Alte zu sein. Eines Morgens, während er sich einen Toast machte, hielt er ein Päckchen Land-O’Lakes-Butter hoch. «Ich habe da mal eine Frage», sagte er. «Wer war der erste Mensch, der gemerkt hat, dass die Knie der Indianerin von Land O’Lakes wie Brüste aussehen? Irgendein Kerl sitzt in Terre Haute beim Frühstück, sieht das Butterpäckchen vor sich und denkt: ‹Sieh bloß einer diese Knie an.› Aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Nach jener ersten Einsicht muss jemand anders auf die Idee gekommen sein, aus der Rückseite des Päckchens ein
zweites
Paar Knie auszuschneiden und es hinter das Butterpäckchen zu kleistern, das die Indianerin vor ihrer Brust hält, und dann die Ränder des Butterpäckchens so einzuritzen, dass es aufklappt, als ließe sie ihre Brust blitzen. Das alles hat sich zugetragen ohne irgendeine schriftliche Überlieferung. Die Geschichte ist an den Hauptpersonen vorbeigerauscht.»
Sie gingen wieder vor die Tür. Einmal fuhren sie nach Federal Hill, Pizza essen. Anschließend wollte Leonard in einen ganz bestimmten Käseladen. Drinnen war es wegen der heruntergelassenen Rollläden dunkel. Der Geruch im Raum hatte eine übermächtige Präsenz. Hinter der Theke machte sich ein alter, weißhaariger Mann mit etwas zu schaffen, was sie nicht sehen konnten. «Wir haben siebenundzwanzig Grad draußen», flüsterte Leonard, «und der da macht kein Fenster auf. Weil er hier drin eine ideale Bakterienmischung hat, und die würde er niemals ins Freie lassen. Ich habe in einem Aufsatz gelesen, Chemiker von der Cornell hätten in einem mit Lab gefüllten Kübel zweihundert verschiedene Bakterienstämme entdeckt. Eine sauerstoffabhängige Reaktion, deswegen wirkt sich alles, was in der Luft ist, auf den Geschmack aus. Die Italiener wissen das instinktiv. Der Alte hier ahnt nicht einmal, was er weiß.»
Leonard trat an die Ladentheke. «Vittorio, wie geht’s?»
Der alte Mann drehte sich um und kniff die Augen zusammen. «Hallo, mein Freund! Wo bist du gewesen? Lange nicht gesehen.»
«Ich war nicht auf dem Damm, Vittorio.»
«Hoffentlich nichts Ernstes. Aber verschone mich damit! Ich will’s nicht wissen! Hab selbst genug Probleme.»
«Was empfiehlst du heute?»
«Was meinst du mit ‹empfehlen›? Käse! Wie immer.
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