Die Liebeshandlung
bei der Wäscherei an der Ecke abzugeben, schmiss sie aber stattdessen in die Abfalltonne hinter dem Gebäude und ersetzte sie durch ihre eigenen. Sie hängte Gardinen vor die Fenster und kaufte einen Papierschirm für die nackt von der Decke hängende Glühbirne.
Der Ficus bekam ein paar braune Blätter. Als Madeleine die Erde befühlte, war sie trocken. Sie erwähnte das eines Tages, während der Besuchszeiten, gegenüber Leonard.
«Du darfst meinen Baum ruhig gießen», sagte er.
«Kommt nicht in Frage. Das letzte Mal hast du mir so zugesetzt.»
«Du hast die Genehmigung, meinen Baum zu gießen.»
«Das klingt nicht gerade wie eine Bitte.»
«Würdest du mir den Gefallen tun und meinen Ficus gießen?»
Sie goss den Baum. Nachmittags, wenn die Sonne durchsvordere Fenster fiel, zog sie ihn ans Licht und besprühte die Blätter.
Jeden Tag ging sie Leonard im Krankenhaus besuchen.
Die Ärztin hatte seine Medikation neu eingestellt und dadurch sein nervöses Zucken im Gesicht zum Verschwinden gebracht – schon deshalb wirkte sein Zustand sehr viel besser. Er sprach hauptsächlich darüber, was er alles einnahm, wofür es gut war und welche Kontraindikationen es gab. Die Namen der Medikamente aufzuzählen schien ihn zu beruhigen, als murmelte er Beschwörungen: Lorazepam, Diazepam, Chlorpromazine, Chlordiazepoxid, Haloperidol. Madeleine konnte sie nicht alle im Kopf behalten. Sie war nicht sicher, ob Leonard das alles selbst bekam oder irgendjemand sonst auf der Station. Inzwischen kannte er sich mit den Krankengeschichten der meisten seiner Mitpatienten aus. Sie behandelten ihn wie einen Assistenzarzt, besprachen ihre Fälle mit ihm, befragten ihn zu den Mitteln, die ihnen verabreicht wurden. Leonard verhielt sich im Krankenhaus genauso wie in Seminaren. Er war ein Quell an Informationen: nie um eine Antwort verlegen. Hin und wieder hatte er einen schlechten Tag. Wenn Madeleine dann den Tagesraum betrat, traf sie ihn missmutig an, in heller Verzweiflung darüber, dass er seinen Collegeabschluss noch nicht hatte, beunruhigt, ob er mit den Aufgaben, die ihn in Pilgrim Lake erwarteten, zurechtkommen würde: die übliche Litanei. Er wiederholte sie pausenlos.
Leonard hatte gehofft, höchstens zwei Wochen im Krankenhaus zu bleiben. Aber schließlich wurden es zweiundzwanzig Tage. Ende Juni, am Tag seiner Entlassung, fuhr Madeleine in die Stadt, um ihn mit ihrem neuen Auto abzuholen, einem Saab Cabrio, das gerade einmal zwanzigtausend Kilometer herunter hatte. Das Auto war ein Graduierungsgeschenkvon ihren Eltern. «Obwohl wir dich bei der Feier nicht gesehen haben», scherzte Alton in Anspielung auf Madeleines Verschwinden an jenem Tag. Im Pulk der Eltern vor den Van Wickle Gates hatten Alton und Phyllida darauf gewartet, dass Madeleine anmarschiert käme; als das nicht geschah, glaubten sie, ihre Tochter irgendwie verpasst zu haben. Sie hatten die College Street nach ihr abgesucht, dann in ihrer Wohnung angerufen, aber niemanden erreicht. Zu guter Letzt gingen sie bei ihr zu Hause vorbei und hinterließen einen Zettel mit der Nachricht, sie seien besorgt und würden nicht, «wie geplant», nach Prettybrook zurückfahren, sondern in der Empfangshalle des Biltmore-Hotels auf sie warten. Dort war Madeleine dann auch am Nachmittag erschienen. Sie erzählte ihnen, sie habe den Festzug verpasst, weil Kelly Traub, mit der sie hingehen wollte, unterwegs gestürzt sei und sich den Fuß verstaucht habe, weshalb sie ihr zum Gesundheitsdienst habe helfen müssen. Madeleine wusste nicht, ob ihre Eltern ihr glaubten, aber erleichtert, dass es ihr gutging, waren die beiden nicht weiter in sie gedrungen. Stattdessen hatte Alton ein paar Tage später angerufen und Madeleine aufgefordert, sich ein Auto zu kaufen. «Gebraucht», das war seine Bedingung. «Ein oder zwei Jahre alt. Auf die Weise sparst du eine Menge Wertverlust.» Madeleine hatte getan, wie ihr befohlen, und in den
Pro-Jo - Anzeigen
das Cabrio entdeckt. Es war weiß mit rehbraunen Sportsitzen, und während sie draußen vor dem Krankenhauseingang wartete, ließ Madeleine das Verdeck herunter, sodass Leonard sie sehen konnte, als die Schwester ihn in einem Rollstuhl vor die Tür brachte.
«Schöner Untersatz», sagte er beim Einsteigen.
Sie umarmten sich lange, Madeleine schniefend, bis Leonard sich entzog.
«Lass uns fahren. Ich habe genug von hier.»
Den Rest des Sommers war Leonard auf rührende Weise sensibel. Er sprach in den sanftesten Tönen. Wenn er im
Weitere Kostenlose Bücher