Die Liebesluege
fährst? Skatest du wenigstens? Ehrlich gesagt -«
»Valerie, deine Fragen nerven«, sagte Lana gelangweilt. »Wir müssen uns um unsere Pflichten kümmern. Kommt!«
»Einen Augenblick noch.« Charlys Armreifen klirrten, als sie eine weit ausholende Handbewegung machte. »Die Halbjahresferien sind vorbei. Wieso ist hier alles so ruhig? Es müsste doch vor Jungs und Mädchen nur so wimmeln?«
Valerie schaute auf die Uhr. »Die meisten werden in ein, zwei Stunden kommen. Dann ist hier der Teufel los.«
»Warum seid ihr schon hier? Habt ihr die Ferien im Internat verbracht? Geht das denn?«
»Ja.«
»Also?«
»Also was?«
»Warum seid ihr nicht nach Hause gefahren?«
»Ganz einfach«, antwortete Valerie betont gleichgültig. »Meine Mutter ist vergangene Woche umgezogen.«
»Klar, da wärst du ihr im Weg gewesen. Oder du hättest helfen müssen«, entgegnete Charly verständnisvoll. »Swetty, ist deine Mutter auch umgezogen?«
Für den Bruchteil einer Sekunde verlor Swetlana ihre Gelassenheit. »Ich heiße Swetlana. Nenn mich nie mehr
Swetty, hörst du?«, sagte sie heftig. »Und nein, meine Mutter ist nicht umgezogen.«
»Sondern?«
Swetlana schwieg.
»Es ist doch nichts dabei, wenn du es ihnen sagst«, meinte Val lachend. »Swetty! Dich Swetty zu nennen wäre mir nie im Traum eingefallen! Nun sag schon, dass deine Mutter ein Baby bekommen hat.«
»Das ist ja herrlich!«, rief Charly. »Hast du eine neue Schwester oder einen neuen Bruder?«
»Es ist eine Halbschwester. Aber nun kommt endlich.«
»Nein.« Jetzt drehte sich Charly um. »Ich will erst noch die Gegend bewundern. Elena, schau dir nur diese grandiose Bergkette an. Strahlend weiß und wie mit Puderzuckerglasur überzogen. Und der See! Und die Parkanlage! So viele alte Bäume …«
Charly hatte sich vorgenommen, glücklich zu sein, einfach nur glücklich. Natürlich gehörte zu jedem Glück auch ein kleines Wermutströpfchen - obwohl, in ihrem Fall war das Tröpfchen eher ein satter Tropfen … Charly schüttelte die Gedanken ab und folgte den dreien, die zum Portal vorausgegangen waren. »He!«, rief sie. »Weiß eine von euch, was Wermut ist?«
Swetlana und Valerie starrten sie an, als stellten sie ihren Geisteszustand infrage. Elena runzelte nur kurz die Stirn.
»Wermut? Wermut oder Absinth. Korbblütler. Silbriggrüne gefiederte Blätter, gelbe Blütenköpfe. Bitteres Gewürzkraut. Darf nur in geringen Mengen verzehrt werden. Das abgeschnittene Kraut sollte man keinesfalls auf den Kompost werfen. Man spricht von Wermutstropfen, wenn -«
»Sag bloß!«, fuhr Lana dazwischen.
»Bist du eine Intelligenzbestie? Schreibst du in jedem Fach nur Einser?«, fragte Valerie.
Elena wurde rot. »Ich mag Bio.«
»Also hast du in diesem Fach eine Eins. Und in den übrigen?«
Elena hob die Schultern. »Na ja …«
»Sag schon!«
»Brillant bin ich nicht.«
»Ehrlich?«
»Ja.«
»Aber gute Noten schreibst du, was?«
»Es geht so.«
»Hast du Hobbys? Reiten? Tennis? Segeln? Wasserski? Vielleicht Golf?«
Elena zuckte die Schultern. »Nein. Ich lese gerne.«
»O Gott! Wenn das ein Hobby sein soll …« Valerie drehte sich verächtlich um. »Charly, wie sieht es bei dir mit den Noten aus?«
Charly strahlte Valerie an, obwohl sie sie insgeheim zum Teufel wünschte. »Auf meinen Schultern sitzt ein kluges Köpfchen.«
Valerie schaute sie herausfordernd an. »Wenn das stimmt, hat Swetlana endlich die gewünschte Konkurrentin bekommen. Aber dein kluges Köpfchen wird sich ganz schön anstrengen müssen, Charly.«
»Ich liebe Herausforderungen; ich finde, sie sind das Salz in der Suppe des Lebens.«
Swetlana grinste spöttisch. »Du nimmst den Mund mächtig voll.«
»Meinst du? Ich finde das nicht; Herausforderungen bringen mich in Schwung. Geht es dir auch so, Elena?«
Elena schrak zusammen. »M-m-mir?«, stotterte sie.
»Du lieber Himmel! Ich wollte dich nicht erschrecken!« Charly blieb wieder stehen. »Anstatt uns mit dem Haus vertraut zu machen, verplempern wir Zeit mit unwichtigen Gesprächen. Lassen wir das, bis wir alles gesehen haben.«
Charly ärgerte sich wirklich über sich selbst; kaum war sie hier, hielt sie keine einzige der Regeln ein, die sie sich selbst gestellt und sich vorgenommen hatte, unter allen, ALLEN! Umständen einzuhalten. Natürlich stimmte es, dass sie kaum einer Herausforderung widerstehen konnte; aber musste sie das den ersten Mitschülerinnen, die ihr hier über den Weg liefen, auf die Nase binden? Und
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