Die Liebesverschwörung
Pluttkorten an.
»Der Bercken hat abgesagt. Er muß angeblich zu einer landwirtschaftlichen Messe in Hannover. Heute mittag trifft Renate ein. Mein Mann und ich würden uns freuen, wenn Sie und Ihr Bruder heute abend zu uns kämen. Noch ist ja Zeit. Vielleicht können wir uns etwas überlegen?«
Frau v. Pluttkorten war sehr zierlich. Sie trug einen schwarzen Faltenrock und einen zartgrünen ›Pringle-of-Scotland‹-Pullover. Ihr weißes Haar mit dem leichten lila Schimmer war zu einem duftigen Pagenkopf frisiert. Außer einer Perlenkette und einem Ring mit großer, naturgewachsener Perle trug sie keinen Schmuck. Sie mußte in den Siebzigern sein, obwohl ihr Teint das nicht verriet. Keineswegs machte sie krampfhaft ›auf jung‹, sondern sah vielmehr aus wie eine Charakterdarstellerin, die eine bezaubernde alte Dame verkörpern will, der alle Herzen zufliegen.
Herr v. Pluttkorten dagegen war ein Trumm von Mann, ein Riese mit braunrotem Wind-und-Wetter-Gesicht, das ein weißer Schnauzbart mit einem Hauch von Haudegen versah. Seine grauen Augen blitzten. Er bewegte sich wie ein passionierter Reiter: sehr gerade, ein wenig steif in den Hüften. Für seine Enkeltochter Renate, die früh den Vater verloren hatte, war er stets zu Weihnachten und auch im übrigen Jahr ein perfekter Weihnachtsmann gewesen.
Renate hatte sich neben ihnen zum Empfang der Kringels aufgebaut. Sie war zierlich wie ihre Großmutter, aber im ganzen deftiger, mit einem hübschen Kobold-Gesichtchen. Dunkle Locken ringelten sich üppig und ungezähmt; Renate hatte zu ihrem Kummer von Natur aus krauses Haar und sich als Kind oft – nicht ganz zu Unrecht, wie sie zugeben mußte – den albernen Spruch von den ›Krausen Haaren‹ anhören müssen, die auf entsprechend krausen Sinn schließen ließen.
Mike Kringel küßte Frau v. Pluttkorten artig die Hand. Die Freundinnen fielen sich um den Hals.
»Laura! Toll siehst du aus!«
»Du auch. Ist das nicht schön, daß wir uns mal in unserer Heimat treffen?«
Herr v. Pluttkorten umarmte Laura. Er mochte hübsche, junge Frauen gern im Arm haben. Und Mike nahm Renates Hand. Augenblicklich erschallten sämtliche Jagdhörner seiner männlichen Vorfahren in seinem Geiste. Alle Jägerinstinkte erwachten. Halali! Das war doch kaum zu fassen! Aus dem kleinen Fratz, dessen Haare immer so komisch abgestanden hatten, der eigentlich eher ein Junge gewesen war als ein niedliches kleines Mädchen, mit dem in der Tanzstunde niemand ohne Schaden davongekommen war, weil es einem ständig auf die Füße latschte oder einen mit frechen Bemerkungen aus dem Takt brachte, war eine ausgesprochen süße Person geworden. Genau die Richtige für Papas Sohn. Ein Happen, der direkt einige Anstrengungen lohnte.
Mike hielt ihre Hand und sah ihr tief in die Augen, dann zog er die Finger langsam zurück. Es war wie ein Streicheln. Er mußte zugeben, daß es auch auf ihn selber ziemlich prickelnd wirkte. Offenbar war sie sehr sexy. Er würde seine Verabredung mit Monika von der Sparkasse verschieben und sich ganz diesem Schmetterling widmen, der aus der Raupe von einst geworden war.
»Wir haben uns doch mindestens zehn Jahre nicht gesehen«, säuselte er.
»Dafür sind Sie verhältnismäßig knackig geblieben«, stellte der Lebkuchen-Engel mit dem Kirschenmund ungerührt fest.
Von der breiten Diele mit ihren schweren englischen Möbeln aus traten die Gäste in ein lupenreines Biedermeierzimmer ein. Sogar der runde Teppich war mit seinen Blumen und Farben stilecht aus der Zeit.
Im Kamin knisterte und knackte duftendes Holz. Sie nahmen in einer Runde auf schweren Sesseln Platz. Ein Mädchen in schwarzem Kleidchen mit weißer Tändelschürze und weißem Häubchen trat lächelnd ein und brachte auf einem kleinen Silbertablett Sherry und schlanke Kristallgläser herein.
Laura fühlte sich in eine vergangene Zeit zurückversetzt. Fast verwunschen, dachte sie, als ob diese beiden Menschen hier alles Fremde, Störende von außen abgewehrt hätten.
Sie tranken in kleinen Schlucken, genossen die herbe, gekräuterte Süße und knabberten kleine Mürbeteig-Kringel dazu. Pluttkorten legte noch einen Kloben ins Feuer und bewegte mehr rituell den Blasebalg. Dann lehnte auch er sich zurück, und Frau Pluttkorten begann:
»Wir wollen heute abend also überlegen, ob wir dem Eberhardt Bercken vielleicht helfen können, aus seinem Fuchsbau hervorzukommen. Ich tue es, weil ich glaube, daß Sie kein böses Spiel mit ihm spielen würden, Laura,
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