Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
Hauptaufgabe. Aber wie auch bei Herpes oder HIV verstecken sich die Biester, und das Mittel der Wahl kommt an sie nicht heran. Bei Herpes zum Beispiel sitzen sie jahrelang in den Ganglien. Das Robert-Koch-Institut rät zur Verabreichung von Cidofovir, dessen Wirkungsweise kennen wir aber nur aus Tierversuchen. Daneben soll es ein neues, noch nicht vollständig getestetes Supermittel mit dem Namen Atropos geben. Das wurde von einem kleinen Bio-Start-up-Unternehmen in Holland entwickelt.«
Jan konnte sich erinnern, davon in einem Fachblatt gelesen zu haben. »Wie heißt die Firma noch gleich? Auch irgendetwas Griechisches … Ach ja, Atalante, wie die Jägerin aus der griechischen Mythologie. »
Jan strahlte kurz in die Runde. Regina verdrehte die Augen.
Sandmann wirkte für einen Moment verwirrt. »Nun, im Übrigenglauben wir, dass das Virus ›heiß‹ gemacht worden ist. Das jedenfalls hat mir meine Frau, die in der molekularbiologischen Abteilung in Schwabing an der Untersuchung des Virusstammes arbeitet, erzählt.«
Jan sagte nur leise »Scheiße«, noch ehe Regina beide fragend ansah. Jan erklärte es ihr. »Pocken als Kampfstoff einzusetzen, besitzt eine alte Tradition. Das haben die Engländer im 18. Jahrhundert im Kampf gegen die Indianer gemacht. Aber im Kalten Krieg wurden die Viren permanent mit Antibiotika ›bearbeitet‹, um sie so resistent gegen Impfstoffe zu machen. Das geschah Gerüchten zufolge vor allem in russischen Versuchslaboren. Das wäre der absolute Horror. Ein rasend schnell ausbrechendes Virus, das keine Impfschranke kennt.«
Sandmann hob beschwichtigend die Hände. »Die Amis haben ein neues Mittel. Es nennt sich ST -246 und kann oral gegeben werden. Die Nebenwirkungen sind noch nicht bekannt, aber sie wollen noch nichts liefern. Es ist noch zu wenig davon produziert worden, und die US -Regierung fürchtet, dass sie dann nichts für die eigene Bevölkerung hat. Aber wenn alle Stricke reißen, schicken sie uns garantiert etwas. Und dann haben wir eben Atropos aus Holland. Bis dahin sind wir hier nur palliativ orientiert.«
Regina stutzte wieder.
Sandmann erklärte: »Wir lindern nur, heilen können wir derzeit nicht.«
Jan hatte die kurze Information seines Kollegen sichtlich geschockt. Eine Epidemie ist immer ein Lotteriespiel. Nichts geht dann nach Lehrmeinung, aber das alles entwickelte sich zu einem Alptraum.
Sein Kollege schubste ihn sachte und wies auf ein in Plastikfolie eingeschweißtes Paket. »Mach dich nützlich, wir gehen an die Front. Regina, Sie können hierbleiben und auf der Couch ein wenig schlafen, wenn Sie wollen.«
Regina bedankte sich und bat um einen Internetzugang. Sandmann klickte an seinem Computer auf das Icon und wies auf seinen Stuhl.
Jan zog sich währenddessen nackt aus, riss das Paket auf und schlüpfte in den Schutzanzug. Über die Plastikschuhe zog er noch extra Überschuhe. Es folgten der Atemschutzhelm und die Handschuhe. Dann betrat er mit seinem Kollegen die erste Station.
Nachdem sie zwei Schleusentüren, die von Sicherheitspersonal bewacht wurden, passiert hatten, sah Jan das Ausmaß der Krankheit. Auf dem ersten Flur standen hintereinandergereiht mehr als 100 Betten mit Patienten, die wenigsten unter einem durchsichtigen Zelt. Stöhnen, Husten und leises Weinen war zu hören.
»Ich zeige dir jetzt die Fälle nach ihrem Krankheitsverlauf.«
Sie schritten in das erste Zimmer.
»Herr Schwarzer, guten Abend. Wie geht es Ihnen?«
Der Mann, mittleren Alters, lag in seinem Bett, umgeben von vier weiteren Kranken. Er hustete, schien stark zu schwitzen, war aber ansprechbar und ohne Pusteln. Sie unterhielten sich kurz und verabschiedeten sich dann schnell, um im Nebenzimmer die nächste Phase der Krankheit zu sehen.
»Das ist Frau Anne Krüger. Sie arbeitete als Schichtleiterin in einem Fast-Food-Restaurant am ›Stachus‹. Der Ausbruch der Krankheit war schon gestern.«
Das Gesicht der Frau war mit Pusteln übersät, sie wimmerte. Das Weiß in ihren Augen hatte sich bereits in ein dunkles Rot verfärbt. Jan schlug die Decke vorsichtig zurück, und sofort schrie die Frau auf. Sie war nackt. Aber das war nicht der Grund für den Aufschrei.
»Sie sind außergewöhnlich druckempfindlich«, erklärte Sandmann.
Jan nahm einen fürchterlichen Gestank wahr, der selbst durch die Atemmaske in seine Nase drang und Übelkeit erzeugte. Jetzt sah Jan die kreisrunde Ausbreitung der Papeln, wie die Mediziner die Pusteln nannten, vom Bauch aus. Die
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