Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
islamistischen Hintergründe eingegangen. Sie erhob sich und ging mit energischen kleinen Schritten hinauf in den sechsten Stock. Dort gab es einen abhörsicheren Raum mit Standleitungen zu den Krisenstäben draußen im Land.
»Wir haben die Epidemie noch nicht unter Kontrolle. Das ist die bittere Wahrheit.« Professor Vogel sah in die müden Augen der wenigen Anwesenden. »Bislang liegen uns bundesweit 811 Todesfälle vor. Tendenz: stark zunehmend.«
Das Kabinett war in den letzten Stunden immer weiter geschrumpft. Von 16 Mitgliedern lagen bereits neun auf einer gesonderten, schwer gesicherten Quarantänestation in der Berliner Charité. Drei von ihnen waren bereits im Delirium, ihr Tod nur noch eine Frage von Stunden. Nach den ersten Erkrankungen im Kabinett ließen sich die restlichen, bislang impffeindlichen Mitglieder sofort mit dem neuen amerikanischen Impfstoff behandeln. Der amerikanische Botschafter hatte diese Ration unter strengster Geheimhaltung in das Kanzleramt bringen lassen.
Die Kanzlerin erfreute sich bester Gesundheit. Die war auch dringend notwendig angesichts der apokalyptischen Meldungen,die minütlich auf ihrem Tisch landeten. Sie hörte den Ausführungen des Gesundheitsministers ruhig und konzentriert zu. Er gab einen Lagebericht zur aktuellen Situation.
»Die Krankheit breitet sich rasend schnell aus. Es ist uns nicht gelungen, sie auf die Städte Köln, Berlin und München einzugrenzen. Der erste Todesfall ist nun mehr als fünf Tage her. Uns läuft die Zeit davon. Wir müssen zu radikalen Mitteln greifen. Das Ruhrgebiet ist einfach nicht ohne massive militärische Unterstützung abzuriegeln. Immer wieder gelingt es einigen Infizierten, die Barrieren zu überwinden. So kommt es auch außerhalb der ›heißen‹ Zonen zu Ansteckungen.«
»Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?«, wollte sie wissen.
Der Innenminister drehte nur unmerklich den Kopf. Er musste sich sehr konzentrieren, ein Mitarbeiter hatte ihm auf dem Weg in den Konferenzraum noch eine kleine Nachricht zugesteckt.
»Nun ja, noch sind die größten Bevölkerungsteile ruhig und ohne Panik. Aber die neuesten Meldungen verstören die Menschen. Die Ersten reden schon von Deutschland als einem riesigen Gefängnis. Unsere Nachbarländer haben die Grenzübergänge heute Nacht, ohne große Rücksprache mit uns, auf unbestimmte Zeit gesperrt. Der Flugverkehr auf allen deutschen Airports ist vorerst eingestellt, da auch kein Land mehr deutsche Fluggäste aufnimmt. Dennoch melden mehr als 25 Staaten Pockenfälle durch Reisende aus Deutschland. Fast alle Staaten weltweit haben oder werden in den nächsten Stunden Einreiseverbote für alle Bürger aus Deutschland verhängen. Illegale Einreisende sollen interniert und, wenn möglich, wieder zu uns zurückgeschickt werden. Einige Länder wie die USA , China, Russland und die EU -Nachbarstaaten fordern alle Deutschen in ihren Ländern auf, sich bei den Behörden zu melden und sich untersuchen zu lassen.«
Die Angst der anderen Staaten war berechtigt. In einer Telefonkonferenz mit ihren Kollegen aus den G10-Staaten vor drei Stunden hatte die Kanzlerin schonungslos und offen die rasanteVerbreitung der Pocken geschildert. Ihr blieb nichts anderes übrig, wenn sie nicht wollte, dass von deutschem Boden eine weltweite Pockenpandemie ausging.
Der Innenminister fuhr fort.
»Die Polizeikräfte wurden in den betroffenen Ländern weitestgehend durchgeimpft. Auch hier gab es vereinzelt Widerstand, aber das Beamtengesetz lässt dem Einzelnen keinen Spielraum. Das gilt für das medizinische Personal wie auch für Feuerwehr und Rettungskräfte. Hier die Probleme der nächsten 24 Stunden: Wir geben keine Garantie für die Grundversorgung der Bevölkerung. Es fehlen schlicht Menschen, die unsere für einen Katastrophenfall bereitstehende Nahrung und Trinkwasser an vorbereiteten Stellen verteilen. Mit zunehmenden Erkrankungen und Todeszahlen, die ja der Herr Professor gleich noch näher erläutern wird, ist mit Panik zu rechnen. Auch darum ist der Einsatz aller verfügbaren Bundeswehrkräfte nicht nur opportun, sondern zwingend. Wir haben sonst eine Katastrophe vor der Tür.«
Die Kanzlerin bedankte sich.
»Stand der Epidemie, Herr Professor, bitte.«
Vogel rutschte mit seinem Stuhl nach hinten und erhob sich räuspernd. Mit einem Laserpointer leuchtete er auf eine Landkarte.
» NRW , einschließlich Köln: 8436 bislang registrierte Fälle, stündliche Aufnahmefrequenz derzeit größer als 50.
Weitere Kostenlose Bücher