Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
Brüste waren schon ein einziges Schorf- und Wundfeld. Einige Pusteln nässten bereits. Die Haut zwischen ihren Beinen dellte sich. Das weiße Laken zwischen ihren Oberschenkeln hatte sich milchig gelb mit roten Einsenkungen gefärbt.
»Sie scheinen fast alle nach wenigen Stunden aus Rektum und Vagina zu bluten.«
Auf dem Krankenblatt stand ein großes »P« für »palliativ«. Sie würde in dieser Nacht bei vollem Bewusstsein mit kaum zu betäubenden Schmerzen, aus allen Öffnungen ihres Körpers blutend, qualvoll sterben.
Jan arbeitete bis in die Morgenstunden. Er impfte, versorgte Infizierte und fast »nebenbei« half er in der Notfallabteilung aus. Denn trotz Ausgangssperre und Epidemie kamen auch »normale« Fälle auf die Station. Ab Mitternacht war er mit einem Arzt im Praktikum und zwei Schwestern allein. Anders als sonst musste er jetzt improvisieren, zusätzliches Personal war kaum noch einsetzbar. So diagnostizierte, röntgte und operierte er bald selbst. Einen entzündeten Blinddarm behandelte er mit einer Schwesternschülerin, die beim ersten Schnitt prompt zu Boden sank.
Er kam gerade aus der Dusche, als Sandmann vor ihm stand. »Unten beim Chefarzt steht die Polizei. Ihr werdet wegen Mordes gesucht. Sie haben am Tegernsee vier Tote in einem heruntergebrannten Haus gefunden. Ist da was dran? Und erzähl mir keinen Scheiß, bitte.«
Jan schüttelte seinen nassen Kopf. »Nein, wir waren zwar da, aber eine Söldnertruppe hat einen Zeugen, den wir besucht hatten, töten wollen. Seltsame Story, aber wir sind sauber, glaub es mir.« Er nahm ein Handtuch aus einer Folie und rubbelte sich damit ab.
Sein Kollege sah ihn eindringlich an und seufzte. »Du hängst wieder mal in der Scheiße, oder?«
Jan nickte. »Kannst du uns helfen?«
Sandmann presste die Lippen zusammen. »Ich verliere also gerade einen Kollegen, den ich dringend benötige, und soll ihm auch noch zur Flucht verhelfen. Na, toll. Also gut, schwingt euch in die Schutzanzüge, auch deine Freundin. Euren Wagen haben sie bestimmt zur Fahndung ausgegeben. Holt schnell eure Sachen aus dem Wagen, und seht zu, dass ihr aus der Stadt verschwindet.Möglichst in Richtung Norden. Die Wege in die Nachbarländer werden schneller geschlossen sein als die zu den sauberen Bundesländern. Hier ist der Schlüssel zu meinem Schrank. Da ist der Autoschlüssel drin. Es ist ein Porsche. Sei also bitte vorsichtig. Ich habe bereits gehört, wie du mit dem Eigentum deiner Kollegen umgehst.«
Er spielte auf die dumme Sache in Berlin im letzten Sommer an. Ein Kollege hatte Jan und Regina, die auf der Flucht waren, Unterschlupf gewährt, und ihre Verfolger hatten die Wohnung verwüstet. Jan hatte alles bezahlt. Der Kollege redete dennoch kein Wort mehr mit ihm.
»Ich passe auf.«
»Ihr müsst hier raus. Das ist meine Impfkarte, und das ist ein Passierschein. Den haben sie mir vor wenigen Minuten ausgehändigt. Und jetzt fahr los.«
Dirk Sandmann sah dem rennenden Jan hinterher, dann drehte er sich um, nahm sein Handy und wählte eine Nummer.
»Sie sind unterwegs. Nein, sie haben nichts bemerkt.«
Berlin, Deutschland, Krisenstab, 17. 12., 00.45 Uhr
Die Kanzlerin sah aus ihrem Büro hinaus zum Reichstag und knabberte dabei an ihren bereits weit heruntergebissenen Fingernägeln. Sie waren entzündet. Es war eine Macke, der sie nie in Gegenwart von TV -Kameras nachgab. Aber jetzt war sie nur mit ihrem Innenminister und ihrer Büroleiterin zusammen. Bald würde sie all das hier verlassen. Sie hatte ihre Zeit gehabt, dachte sie. Gern wäre sie auf andere Art und Weise von der politischen Bühne abgetreten. Nun musste sie sich dem Willen des Parlamentes und der Gegner in der eigenen Partei unterwerfen. Sie hatte nach den Unruhen im Sommer lange gekämpft. Jetzt war sie einfach nur am Ende ihrer Kräfte.
Die gläserne Kuppel des Reichstages war hell erleuchtet.Große Schneeblöcke hatten sich auf einzelne ihrer monumentalen Fensterbögen gelegt. Das extreme Wetter schien nicht aufhören zu wollen, als ob es sich mit der Epidemie verbündet hätte. Sie war, auch wenn sie es öffentlich beteuerte, niemals gläubig gewesen. Als Physikerin konnte sie der Theologie nichts abgewinnen. Aber diese Seuche in diesem außergewöhnlich harten Winter schien wie eine biblische Strafe. Und natürlich hatten sich schon die ersten Endzeitsekten wie diese Birghidianer zu Wort gemeldet. Wie schnell die Menschen doch offen für das Übersinnliche waren, wenn sie Angst und Verzweiflung
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