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Die linkshändige Frau - Erzählung

Die linkshändige Frau - Erzählung

Titel: Die linkshändige Frau - Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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aufgewacht. – Meinst du es so? Ist es dir überhaupt ernst?«
    Die Frau: »Ich kann jetzt nicht reden, Franziska.« Die Lehrerin rief, schon im Hineingehen: »Wir treffen uns nach der Schule im Café. Ich bin ganz aufgeregt.«
    Die Frau kam mit Paketen aus einem Reinigungsgeschäft; stand an in einem Metzgerladen; räumteauf dem Parkplatz vor dem Supermarkt der kleinen Stadt schwere Plastiktragetaschen hinten in ihren VW. Sie hatte dann noch ein bißchen Zeit und ging durch den weiten, hügeligen Stadtpark an den zugefrorenen Teichen vorbei, wo ein paar Enten schlitterten. Sie wollte sich irgendwo hinsetzen, aber die Sitzflächen aller Bänke waren während des Winters abmontiert. So stand sie da und betrachtete den bewölkten Himmel. Ein paar alte Leute blieben neben ihr stehen, schauten auch.
    Sie traf sich mit Franziska im Café; das Kind neben ihr las ein Comic-Heft. Franziska zeigte darauf und sagte: »Diese Ente ist die einzige von den Heftchenfiguren, die ich in meiner Klasse zulasse. Ich fordere sogar auf, seine traurigen Abenteuer zu lesen. Die Kinder erfahren an diesem immer zu kurz kommenden Tier mehr über die Daseins-Formen, als sie in der gutsituierten Haus- und Grundbesitzerlandschaft hier sonst jemals mitkriegen werden, wo das Leben nur darin besteht, das Fernsehen nachzuspielen.« Das Kind hinter dem Heft und die Frau tauschten Blicke aus.
    Franziska fragte: »Und was wirst du jetzt tun, allein?«
    Die Frau: »Im Zimmer sitzen und weder aus noch ein wissen.«
    Franziska: »Nein, im Ernst: Gibt es jemand andern?«
    Die Frau schüttelte nur den Kopf.
    Franziska: »Hast du darüber nachgedacht, wovon ihr beide leben werdet?«
    Die Frau: »Nein. Aber ich möchte gern wieder mit dem Übersetzen anfangen. Wie ich damals vom Verlag wegging, sagte der Verleger, nun könnte ich doch endlich, statt immer nur die ausländischen Rechtsverträge zu behandeln, wie ich das als Verlagsangestellte tun mußte, richtige Bücher übersetzen. Und seitdem hat er mir regelmäßig Angebote gemacht.«
    Franziska: »Romane. Gedichte! Und so was dann vielleicht auch noch für zwanzig Mark die Seite, Stundenlohn drei Mark.«
    Die Frau: »Fünfzehn Mark die Seite, glaube ich.« Franziska betrachtete sie lange. »Ich möchte, daß du möglichst bald zu unserer Gruppe kommst. Du wirst sehen: Wir sind eine Gemeinschaft, wo jede von uns aufblüht. Und wir tauschen keine Kochrezepte aus! Du weißt gar nicht, wieviel Paradiesisches unter Frauen möglich ist.«
    Die Frau: »Ich komme gern einmal.«
    Franziska: »Hast du eigentlich jemals allein gelebt?«
    Als die Frau wieder den Kopf schüttelte, sagte Franziska: »Ich ja. Und ich verachte das Alleinsein. Ich verachte mich, wenn ich allein bin. Bruno wird übrigens vorerst bei mir wohnen – wenn du ihn nicht, wie ich fast vermute, heute abend wieder zurückhaben willst. Ich kann dasalles noch gar nicht glauben. Und trotzdem bin ich begeistert, Marianne, und seltsamerweise stolz auf dich.«
    Sie zog die Frau an sich heran und umarmte sie. Dann sagte sie zu dem Kind hinter dem Heft, indem sie ihm auf die Knie klopfte: »Wie kriegt der Geldprotz seinen armen Verwandten denn diesmal dran?« Das Kind, ins Lesen vertieft, reagierte nicht, und so sagte eine Zeitlang niemand was. Dann antwortete die Frau: »Stefan möchte immer der Reiche sein – weil der, wie er sagt, der Bessere ist.«
    Franziska hob ihr leeres Glas zum Mund; machte daran Trinkbewegungen. Sie setzte das Glas ab und schaute zwischen der Frau und dem Kind hin und her, wobei ihr Gesicht allmählich weich wurde. (Manchmal passierte es Franziska, daß sie plötzlich, über gar nichts Bestimmtes, in eine sprachlose Gerührtheit ausbrach, wobei ihr Gesicht in der Entspannung eine Ähnlichkeit mit vielen anderen, und sehr verschiedenen, Gesichtern bekam – als entdecke sie in dieser unbestimmten Rührung sich selber.)
    Zu Hause im Flur des Bungalows packte die Frau, vor den offenen Wandschränken, die Koffer für Bruno. Als sie einen der bereitliegenden Koffer aufschlug, lag zusammengerollt, das Kind darin; es sprang auf, lief hinaus. Aus dem zweiten Kofferstieg ein Freund Stefans, ein ziemlich dicker Junge, der ihm auf die Terrasse nachlief, wo die beiden dann die Gesichter an die Scheiben preßten und die Zungen herausstreckten, was ihnen an den eiskalten Scheiben gleich wehtat. Die Frau, im Flur kniend, faltete sorgfältig die Hemden, schleppte die Koffer in den Wohnraum und stellte sie mittendrin, abholfertig, nieder. Als

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