Die Löwin
der Grube wirkte matschig und war mit Zweigen, altem Laub und allerlei Gerümpel bedeckt. Das letzte Stück ließen die Knechte sie fallen und lachten schallend, als sie mit einem hörbaren Geräusch in den Schmutz klatschte. Werner gab ein Ende des Strickes frei, so dass er ihn an dem anderen wieder hochziehen konnte, und verließ auf Trefflichs Wink zusammen mit seinem Kumpan den Hof.
Der Kaufherr trat so weit vor, wie er es vermochte, und blickte hinab. Unten war es so dunkel, dass er Caterina nur als Schatten erkennen konnte. Das ärgerte ihn, denn zu gerne hätte er ihr Gesicht gesehen. Für einen kurzen Augenblick erwog er, die Knechte zurückzurufen und ihnen aufzutragen, eine Laterne zu holen. Da zuckte er selbst zusammen, denn ein gewaltiger Donnerschlag rollte über das Land und die ersten Tropfen klatschen auf den Boden. »Ich wünsche Euch eine angenehme Nacht, Jungfer Caterina!«, schrie er hinab. »Vielleicht komme ich, wenn das Gewitter vorüber ist, noch einmal zu Euch und schaue, ob Ihr anderen Sinnes geworden seid.«
»Eher fällt dir die Mondscheibe auf den Kopf, du Bastard!« Caterina streifte jeden Rest von Höflichkeit ab und überschüttete den Mann mit einer Fülle klangvoller italienischer Flüche, an die sie sich nun Stück für Stück wieder erinnerte.
Trefflich winkte seinem Sohn, ihm zu folgen, und kehrte ins Haus zurück. Botho trottete unglücklich hinter ihm her und sah immer wieder zu der Gewitterwand auf, die nun von Horizont zu Horizont reichte. »Das wird ein fürchterliches Unwetter, gefährlich für jeden, der sich im Freien aufhält, Vater! Ich habe Angst, ein Blitz könnte Caterina treffen. Oder sie wird vor Angst sterben.«
Trefflich winkte ab. »In der Grube ist sie vor Blitzen sicher! Und vor Angst sterben? Die Frau hat den Mut einer Löwin! Eher stirbst du jämmerlicher Feigling, als dass sie nur mit einem Lid zuckt. Verdammt, ich wünschte, du hättest so viel Courage in deinem Kopf wie sie in ihrem kleinen Finger! Ich werde sie kräftig für dich zurechtschleifen müssen, sonst steckt sie dich in einen Weiberkittel und zieht selbst die Hosen an.«
Botho ließ sich diesmal nicht einschüchtern. »Was ist, wenn es so stark regnet, dass die Grube voll läuft? Caterina wird ertrinken!«
Trefflich bedachte seinen Sohn mit einem Blick, als stünde ein Schwachsinniger vor ihm. »Bei den paar Tropfen bekommt sie höchstens nasse Füße. Aber wenn sie sich dann fühlt wie eine halbersäufte Katze, wird sie ein trockenes Bett ebenso zu schätzen wissen wie den Mann, der sie darin wärmt. Und selbst wenn es stärker zu regnen beginnt, besteht keinerlei Gefahr für sie, denn das Wasser stand in der Grube noch nie höher als eine oder zwei Ellen. Dann muss sie halt die Nacht im Stehen verbringen.«
Da sein Sohn noch immer ein Gesicht zog, als durchlebe er jetzt schon all die Schrecknisse, die auf Caterina warteten, gab Trefflich ihm einen Stoß und befahl ihm, Wein zu besorgen und in jene Turmkammer zu bringen, in der er sich am liebsten aufhielt.
Botho stöhnte auf. »Aber wer passt auf Caterina auf? Felix und Werner traue ich nicht über den Weg. Die könnten wirklich auf den Gedanken kommen, Caterina etwas anzutun.«
»Beim Heiland, was bist du nur für ein jämmerlicher Kerl? Noch ein Wort, und ich komme in Versuchung, ihnen zu befehlen, das Weibstück für dich zuzureiten. So eine rassige Stute wirft dich doch allein bei dem Versuch ab, sie zu besteigen. Mein Gott, warum hast du mich mit so einem Jammerlappen von Sohn geschlagen?«
Trefflich versetzte Botho einen zweiten Schlag, der um einiges kräftiger ausfiel, und drohte ihm einen Hieb für jedes weitere Wort an, das über seine Lippen käme.
3.
C aterina wusste nicht, was größer war, ihre Wut auf Trefflich oder der Ekel vor dem Loch, in das er sie hatte werfen lassen. Im Licht der immer rascher aufzuckenden Blitze sah sie zwischen all dem Schmutz, der den Boden bedeckte, das Gerippe eines großen Tieres liegen, an dem noch Fetzen von Sehnen und Fell hingen. Das musste eine der Bestien gewesen sein, die der frühere Herr auf Rechlingen sich gehalten hatte, und bei den angenagten Knochen von Rindern und Pferden, die darum herum im Dreck steckten, handelte es sich wohl um die Reste der Wolfsmahlzeiten. In einer Ecke schauten Stofffetzen aus einem undefinierbaren Haufen heraus, und zwischen ihnen war ein zerbrochener Holzeimer zu erkennen. Zuletzt entdeckte sie sogar ein rostiges Messer mit verrottendem Griff. Sie
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