Die Löwin von Aquitanien
es jetzt wichtiger denn je, einen klaren Kopf zu behalten. Der Aufstand im Limousin war mit Hals Tod vorbei; Henry und Richard brauchten sich kaum die Mühe machen, die Kapitulation der Barone entgegenzunehmen. Aber die Frage, die sich jetzt stellte, war - wer würde Hals Nachfolge als Thronerbe antreten? Es war abzusehen, daß Henry nicht noch einmal eine vorzeitige Krönung veranlassen würde, doch er würde einen Erben benennen, und es gab nun drei Prinzen, die ihm zur Verfügung standen.
Alienor wußte, daß er Richard mißtraute. Er liebte John, und John war eine unbekannte Größe. Den ehrgeizigen Geoffrey würde Henry bestimmt nicht in die engere Wahl ziehen. Als Renoulf de Glanville ihr die Botschaft überbrachte, der König wünsche sie am Sankt-Andreas-Tag im Palast von Westminster zu sehen, war sie sich ihrer Sache sicher. Henry hatte etwas vor. Nun, mit Henry zu kämpfen, war immer ein aufregendes Vergnügen - und sie war fest entschlossen, daß Richard König werden sollte.
Westminster war seinerzeit in wenigen Wochen von dem neuen Kanzler Thomas Becket wiederhergestellt worden. Henry sah auf die Themse hinaus: Eine Barke brachte die Königin.
»Der König von Frankreich war so freundlich«, berichtete er seinem Sohn John, »mich darauf aufmerksam zu machen, daß durch Hals Tod Marguerites Mitgift, das Vexin, wieder an ihn zurückfiele.
Als ich ihm antworten ließ, daß ich das Vexin nunmehr als Alais’
Mitgift ansähe, war er nicht sehr angetan. Er forderte wieder, daß ich Alais mit Richard verheirate oder das Vexin zurückgebe.« Henry zuckte die Achseln. »Langsam wird das das allmonatliche Botschaftszeremoniell der Könige von Frankreich.«
»Aber du wirst doch nicht darauf eingehen?« fragte John beunruhigt. »Wenn Richard Alais heiratet, dann wird er mir Aquitanien nie geben, weil er dann…«
»Nein, nein. Wie oft soll ich es noch sagen?« Henry seufzte. Er liebte John, doch manchmal störte es ihn zu sehen, daß auch in diesem jüngsten Sohn der Hunger nach Macht schlummerte. Immerhin, es gehörte zum Dasein als Fürst, war sein eigener Lebensquell, und John würde ihn nie verraten.
»Ah, jetzt wird es unterhaltsam.« Henry drehte sich um. »Sie ist angekommen.« Er lächelte in sich hinein. Er war gespannt, was Alienor zu unternehmen gedachte, damit Richard König würde. Er eilte ihr zum Empfang entgegen.
Sie befanden sich alle in einem der prächtig ausgestatteten Gemächer. Geoffrey stand hinter John am Fenster, Richard ging unruhig im Raum auf und ab, Alienor saß gelassen mit ineinander verschränkten Armen auf einem bequemen Sessel, und Henry lehnte an der Wand. Alais, die vor dem Feuer kauerte, wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. Es ging hier auch um ihre Zukunft, doch daran 261
dachte in diesem Raum niemand; alle überlegten nur, wer wem welche Macht übereignete. Sie wischte sich zornig mit der Hand über die Augen und fing einen mitleidigen Blick Alienors auf. Alais schlug die Augen nieder. Sie wollte kein Mitleid. Sie wollte nur nicht behandelt werden wie ein Pfand.
»Meine Lieben«, sagte Henry, »wir müssen doch zu einem Ergebnis kommen. Richard, wenn du die Nachfolge deines Bruders antreten willst, dann wäre es doch nur vernünftig, wenn John Aquitanien erhält.«
Richard hielt in seiner unruhigen Wanderung inne. »Ich werde Aquitanien nie hergeben, an niemanden!« erklärte er leidenschaftlich. »Ich habe nicht jahrelang das Land verwaltet und dafür gekämpft, damit es dieses Kind da jetzt erhält!«
»Ich bin kein Kind mehr!«
»Henry«, sagte Alienor, »du kannst aufhören, uns zum Narren halten zu wollen. Du willst nicht nur Aquitanien für John, du willst ihm auch gleich das ganze Reich hinterlassen.«
»Schön«, erwiderte ihr Gemahl, »so ist es, aber während wir uns hier streiten, pocht der gute Philippe darauf, daß ich Alais verheiraten oder das Vexin zurückgeben soll.«
»Und deine Lösung?«
Henry sah von ihr zu der französischen Prinzessin. »Ich werde Alais mit John verheiraten.«
»Das wird Philippe niemals billigen«, sagte Richard heftig, was ihm einen interessierten Blick Geoffreys einbrachte. Richard klang nicht so, als äußere er nur eine Vermutung, und Geoffrey erinnerte sich, daß sein Bruder mit dem jungen König befreundet war.
»Vater«, sagte Richard unterdessen wieder gelassener, »Ihr sagt immer, Ihr wollt das beste für Euer Reich, wollt es nicht zerstritten und geteilt sehen. Gibt es irgendeinen Grund anzunehmen,
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