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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Salisbury Tower von ihren Söhnen hörte, war, daß Geoffrey und John das Poitou angegriffen hatten und Richard dafür in die Bretagne eingefallen war. Sie erhielt die Erlaubnis, ihrer Tochter Mathilda, die in Winchester lebte, bei deren Entbindung beizustehen. Gleich zur Begrüßung stellte Mathilda fest: »Irgend etwas muß falsch an unserer Familie sein, Mutter. Ich kenne keine andere, die so übereinander herfällt. Irgend etwas stimmt mit uns nicht.«
    Ihre Brüder indessen teilten Mathildas Bedenken nicht, und als Richard Geoffrey und John Schritt für Schritt zurückdrängte, begann Henry selbst, in der Normandie eine Armee aufzustellen. Er fühlte sich alt und müde; fast sein ganzes Leben lang hatte er gekämpft.
    Wenigstens seine Nachfolge wollte er so regeln, daß es keine Streitigkeiten gab. Das Mittel, zu dem er in Caen griff, war ebenso verblüffend wie unerwartet für alle Beteiligten.
    Abermals ließ er seine Gemahlin aus England kommen und schickte eine Botschaft an Richard, in der er ihn aufforderte, Aquitanien wieder der rechtmäßigen Herzogin zu übergeben. Es war das dreizehnte Jahr von Alienors Gefangenschaft.

    Die Burg von Caen hatte sich noch nie durch besondere Schönheit ausgezeichnet; sie war als Festung für Kriegszeiten gebaut worden.
    Doch im Inneren hatten sich zahlreiche Haushofmeister, Mägde und Knechte bemüht, einen Rahmen zu schaffen, der einer königlichen Residenz würdig war. Das kühle Frühlingslicht, das durch die noch mit Eisblumen verzierten Fenster fiel, ließ die leuchtenden Farben der Wandteppiche zu voller Geltung kommen. Dort fand sich das satte Rot der Purpurschnecke, das tiefe Blau des Waid; sie erzählten die Geschichte von Merlin, den die Zauberin Nimue in einen Weißdornstrauch bannte.
    Die prächtigen Wandteppiche bildeten einen augenfälligen Gegensatz zu den abgegriffenen Möbeln, dem abgewetzten Stuhl, auf dem Henry saß, dem Tisch, dessen Holz von dunklen Weinflecken und Fett angegriffen war. Alienor stand am Fenster.
    »Henry«, sagte Alienor spöttisch, »warum, glaubst du, sollte Richard dir gehorchen? Es steht kaum zu erwarten, daß du mich um-bringst, wenn er es nicht tut, oder mich freiläßt, wenn er es tut. Deine Geiselnahme steht auf ziemlich schwachen Füßen.«
    »Was das betrifft«, entgegnete der dreiundfünfzigjährige Henry Plantagenet, »ich weiß es, und du weißt es. Aber weiß Richard es auch? Ganz gleich, wie sehr man ihnen versichert, daß man etwas nie tun wird, Menschen wie Richard hören nie auf, zu hoffen.«
    »Menschen wie wir auch nicht, mein Gemahl.«
    »Ja, aber wir passen unsere Hoffnungen der Wirklichkeit an. Ich werde dich nie freilassen, Alienor. Du bist zu gefährlich dazu.«
    Alienor kam zu ihm. Ihre Schritte waren auf dem mit Fellen belegten Steinboden kaum zu hören. »Selbstverständlich«, stimmte sie zu, »übrigens fällt mir ein, daß es für Richard auch noch einen sehr viel schwerwiegenderen Grund gibt, nach Caen zu kommen.«
    Henry nickte zufrieden. »Ja, es sähe wohl nicht sehr gut in den Augen deiner Aquitanier aus, wenn er seiner Mutter offen das Herzogtum verweigern würde.« Er beobachtete sie mit zusammengezogenen Augenbrauen.
    »Ich kenne diesen Blick. Du führst doch irgend etwas im Schilde, mein Engel.«
    »Natürlich, Henry«, sagte sie freundlich, »es ist doch sehr einfach.
    Ich bin damit einverstanden, daß Richard mir Aquitanien zurückgibt, aber hast du dir schon einmal überlegt, daß nichts auf der Welt mich dazu bringen kann, es wieder dir zu geben und John erst recht nicht?
    Du würdest an meiner Statt weiterregieren, aber das ist nicht das gleiche. Etwas Legitimation durch eine kleine Unterschrift macht sich in unserem Geschäft sehr gut, nicht wahr?«
    »Du Hexe.« Henry grinste. »Bei Gott, es gibt Augenblicke, in denen ich dich vermisse.«
    »Wie man den Krieg in der Langeweile des Friedens vermißt«, sagte sie schnell.
    »Nein«, erwiderte er langsam. »Wie man den einzigen Menschen vermißt, der mehr ich selbst ist, als ich es je war.«
    Alienor sah ihn an. Ihre Stimme klang ein wenig unsicher, als sie antwortete: »Ja, wir sind wirklich einander wert.« Keiner von beiden wußte später, wie es geschehen war, aber plötzlich lagen sie sich in den Armen. Vorsichtig legte er seine Lippen auf ihren Mund, und sie erwiderte seinen Kuß mit einer Zartheit, die ihrer früheren Leidenschaft ganz gefehlt hatte.
    »Natürlich will ich immer noch Aquitanien für John.«
    »Du bist so bescheiden,

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