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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Geoffrey?« fragte er endlich. »Was sollen wir tun?« Geoffrey lächelte. »Soweit ich weiß«, sagte er, »waren die Edlen des Limousin ganz und gar nicht erbaut von Richards Niederschlagung ihres Aufstands.«

    In diesem Jahr beschloß Henry, seinen Weihnachtshof in Caen abzuhalten, und forderte seine drei älteren Söhne auf, zu erscheinen.
    John, der jüngste, lebte bei ihm. Auch seine älteste Tochter Mathilda würde an dem Weihnachtsfest teilnehmen, denn ihr Gemahl Herzog Heinrich hatte seinen erbitterten Machtkampf gegen Friedrich Barbarossa verloren und war aus dem Römischen Reich verbannt worden.
    Außerdem befahl Henry, daß seine Königin für die Weihnachtsfeier zu ihm gebracht würde. Es war das elfte Jahr ihrer Gefangenschaft.

    Alais, Louis’ zweite Tochter aus der Ehe mit Constance von Kastilien, war nun zweiundzwanzig Jahre alt und unsterblich in Henry Plantagenet verliebt. Sie war eine hübsche, anziehende Erscheinung, die gewiß auch ohne ihre königliche Abstammung begehrenswert gewesen wäre. Henry zu lieben bedeutete ein ständiges Auf und Ab an Sturmflut und Gelächter, und es bedeutete quälende Furcht vor der Zukunft, denn sie war mit seinem Zweitältesten Sohn verlobt.
    Die Tatsache, daß Alienor an diesem Weihnachtshof teilnehmen würde, verunsicherte sie noch mehr. Alienor war die einzige Mutter, die sie je gekannt hatte, und nur durch die ständige Versicherung, Alienor hätte ihr Schicksal selbst heraufbeschworen, konnte sie ihr quälendes Schuldgefühl unterdrücken.
    Sie stand steif und stumm da, als Alienor in dem riesigen Burghof von Caen eintraf und von Henry mit spielerischer Leichtigkeit vom Pferd gehoben wurde.
    Alienor sank in einen spöttischen Knicks. »Mein Herr und Gebieter«, sagte sie, »ich glaube, wir haben uns längere Zeit nicht gesehen.« Ihre Stimme besaß noch immer das warme, dunkle Timbre, an das Alais sich so gut erinnerte, und sie wirkte nicht im mindesten unglücklich oder gebrochen.
    »Ja, es muß ein paar Wochen her sein«, sagte Henry und betrachtete sie. Sechzig Jahre - war es zu glauben? Alienors Kinnbinde und ihr Schleier verbargen den Hals, der allein sie hätte verraten können.
    »Ich hoffe, du verzeihst es mir, daß ich dich bei deinem Landaufenthalt gestört habe?«
    »Aber selbstverständlich, Henry. Es ist rührend, wie du immer auf mich Rücksicht nimmst.«
    Er war sehr viel stärker und schneller gealtert als sie. Sein Gesicht war vom Leben gezeichnet, und er hatte den elastischen Gang seiner Jugend verloren. Dennoch strahlte er noch immer eine Vitalität aus, die sie einen Augenblick lang überwältigte. Dann wandte sie sich dem Mädchen zu, das hinter Henry wartete, und umarmte es.
    »Nun, Alais, die Jahre haben aus dir eine Schönheit gemacht. Wie geht es dir, mein Kind?« Alais brachte eine nichtssagende Antwort hervor und sah zu, wie Alienor sich zu der jungen Frau umdrehte, die eben aus der großen Halle herunterkam.
    Mathilda lachte und schluchzte, als sie ihrer Mutter in die Arme fiel, die sie seit fünfzehn Jahren nicht gesehen hatte. Alienor brauchte Zeit, um sie wieder zu beruhigen. Über den Kopf ihrer Tochter hinweg trafen sich ihre Augen mit denen Henrys.
    »Ist das nicht der Traum jedes Christen«, fragte er, »eine Familienzusammenführung zu Weihnachten? Wie schade, daß die Jungen noch nicht hier sind.«
    Alienor lächelte. »In der Tat. Aber wir sollten es auf die Feiertage beschränken, weißt du. So viel Versöhnung wird sonst zu anstrengend.«
    John kniete schweigend neben einem von Henrys riesigen Jagdhunden und strich ihm mechanisch über den Kopf, während er beobachtete, wie seine Mutter mit Mathilda und deren Gemahl plauderte.
    Er kannte Mathilda nicht, da sie schon im Jahr seiner Geburt verheiratet worden war, und er war auch nicht sehr neugierig auf diese ältere Schwester.

    Wer ihn interessierte, war seine Mutter, die Königin. Sein Leben lang hatte er Geschichten über sie gehört - jeder kannte Alienor von Aquitanien. Man sprach entweder bewundernd oder voll Abscheu über sie, rühmte ihre Klugheit, ihren Mut, ihre Schönheit oder beschuldigte sie der Schamlosigkeit, nannte sie widernatürlich und böse, doch gleichgültig ließ sie niemanden. Er wußte vor allem, daß sie ihn gleich nach seiner Geburt verlassen hatte, und war fest entschlossen gewesen, sich ihr gegenüber so abweisend wie möglich zu geben.
    Dennoch ertappte er sich dabei, wie er sie heimlich musterte und gespannt zuhörte, wenn sie mit seinem

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