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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sagte er offen, »und dort kann ich mir einen eigenen Namen, eigenen Ruhm und einen Platz erwerben.«
    Alienor griff nach seinen Händen. »Aber warum mußt du uns ausgerechnet jetzt verlassen!«
    Raymond machte sich los und wandte sich ab. Er ging ein paar Schritte, dann drehte er sich wieder um, und er erklärte schroff: »Ich kann es nicht mehr ertragen, ständig von den Verwandten meiner Mutter gegen Guillaume ausgespielt zu werden! Sie versuchen mich auf ihre Seite zu ziehen und erinnern mich ständig daran, daß meine Mutter die Gräfin von Toulouse war - es fehlt nur noch eine Aufforderung, mich der Rebellion anzuschließen! Und das Schlimmste ist, Guillaume ist seit der Sache mit den Lusignans gegen alles und jeden mißtrauisch. Wenn er mich verdächtigen würde, gegen ihn zu intrigieren - wirklich, es ist besser, ich gehe, solange noch Frieden und Liebe zwischen uns herrscht!«
    Alienor lief zu ihm und umarmte ihn. Er hielt das Mädchen fest und dachte traurig, daß er sie lange Zeit nicht wiedersehen würde, nicht miterleben würde, wie sie heranwuchs. Mit gezwungenem Lächeln meinte er schließlich: »Nun, Guillaume hat mich gebeten, noch einmal zu ihm zu kommen, aber ich sollte mich auch von Petronille verabschieden. Wo steckt sie? « Alienors Gesicht verdüsterte sich.
    »Bei dem gräßlichen Aigret. Sie glaubt wahrscheinlich, ihm fehlt es bei den zahllosen Ammen und Dienern ein wenig an Gesellschaft!«
    »Alienor«, sagte Raymond streng, »fängt das schon wieder an?
    Mit zehn bist du wirklich zu alt für eine derart kindische Eifersucht.
    Der arme Aigret hat dir nichts getan.«
    »Ich hasse ihn!« entgegnete Alienor heftig. »Er ist daran schuld, daß meine Mutter gestorben ist. Bei seiner Geburt hat es angefangen, er hat sie umgebracht!«
    Raymond legte beide Hände um ihren Kopf und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. »Sag so etwas nie wieder. Deine Mutter ist tot, weil sie eine Fehlgeburt hatte, und selbst wenn sie gestorben wäre, als Aigret zur Welt kam, könnte er immer noch nichts dafür!«
    Alienor machte ein trotziges Gesicht, deswegen fügte er eindringlich hinzu: »Es ist schrecklich, ein Kind so zu beschuldigen, glaub mir! Auch meine Mutter hat sich von meiner Geburt nie wirklich erholt, ich habe sie kaum gekannt, weil sie so krank war. Und als sie nach Fontevrault ging, dachte ich, es sei meine Schuld. Weil ich sie krank gemacht habe, hat sich mein Vater Dangerosa zugewendet, und deswegen zog sie sich ins Kloster zurück. Davon war ich lange überzeugt, und der Beweis schien mir zu sein, daß sie mich nie besuchte oder sehen wollte. Alienor, ich möchte nicht, daß du deinem Bruder so etwas antust. Versprich es mir!«
    »Also gut«, sagte sie widerwillig. »Ich verspreche es. Ich werde es nie wieder sagen, zu keinem Menschen.«
    »Das ist mein Mädchen.« Raymond küßte sie leicht auf die Stirn.
    »Lebwohl, Alienor.«
    Erst als er schon eine Viertelstunde verschwunden war, begann Alienor zu weinen. Sie fuhr sich zornig mit dem Handrücken über die Augen. Tränen waren für schwache Menschen, und sie wollte nicht weinen, nicht um ihre Mutter und nicht um Raymond, weil sonst die Verzweiflung kommen und sie überwältigen würde.

    Alienor war schon immer froh gewesen, daß ihr Vater keiner von diesen törichten Nordfranzosen war, die, wie man hörte, dazu neigten, ihren Töchtern nicht nur das Schreiben, sondern auch das Erlernen von Sprachen und anderem Wissen zu verbieten. Sie fand Vergnügen darin, in fremden Zeiten und Welten zu schweifen, und nach Raymonds Abreise wurde ihr der Unterricht zur Leidenschaft. Allerdings nicht immer zur Freude ihrer Lehrer.
    »Aber, Vater«, sagte sie zu dem unscheinbaren Pater Jean, der sie in Latein und Griechisch unterrichtete und mit ihr gerade die Evangelien durchging, »wie kann unser Herr Jesus die Dämonen in eine Herde von Schweinen gebannt haben, wo die Juden doch keine Schweine essen und also auch keine züchten? Wo kamen die Schweine her?« Pater Jean schlug innerlich ein Kreuz und verwünschte die Diskutierfreudigkeit seiner Schülerin, doch für diesmal wurde er einer Antwort enthoben, denn ein Diener brachte, die Botschaft, Alienor möge eilends zu ihrem Vater kommen.
    Guillaume lehnte an einem der Schloßfenster und starrte hinaus.
    Es war Winter, und Poitiers war seit Tagen von dichtem Nebel eingehüllt. Er fröstelte und dachte wehmütig an Bordeaux, wo nun wohl angenehme Wärme herrschen mochte. Er stöhnte. Vielleicht hatte er

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