Die Löwin von Aquitanien
dann mit dem bösen Kaiser geschehen ist«, drängte Richard, und Marie lachte. »Später, Richard, später.« Sie gingen an den verschlungenen Heckenwegen vorbei zu dem großen Goldfischteich, der erst in diesem Jahr dazugekommen und Henrys Überraschung für Alienor gewesen war. Goldfische waren in England mehr als ungewöhnlich, doch in Aquitanien sehr beliebt, und auch der verspielt gestaltete Springbrunnen war nach südlichem Vorbild angefertigt - eine Darstellung der berühmten Wasserfee Melusine.
Alienor saß auf einer steinernen Bank und lächelte ihren beiden Kindern entgegen. Marie war ein wenig zu groß für eine Frau und keine Schönheit, jedoch anziehend, denn sie hatte die sanften Züge und den verträumten Blick von Louis geerbt. Richard hatte Alienors rotes Haar und ihre Augen, doch im übrigen zeigte sich bereits, daß sein Äußeres auf Henry herauskam. Das Beste aus meinen beiden Ehen, dachte Alienor.
Richard sprudelte hervor: »Maman, Marie hat mir erzählt, wie Ihr auf Kreuzzug wart und dem bösen Kaiser der Griechen begegnet seid und dann mit den Türken gekämpft habt und…«
Alienor lachte. »Marie übertreibt wohl gerne ein bißchen«, sagte sie und schaute auf ihre errötende Tochter. »Ich war bei einem Kampf gegen die Türken dabei, aber ich habe nicht an ihm teilgenommen; das ist etwas ganz anderes, Richard.« Doch Richards Begeisterung war nicht zu bremsen.
»Ich habe Hodierne« - das war seine Amme - »gesagt, daß Ihr auf Kreuzzug wart, aber sie wollte es nicht glauben, sie hat behauptet, daß Frauen das gar nicht dürfen.« Er runzelte die Stirn, vor das schwere Problem der Glaubwürdigkeit von Amme oder Mutter gestellt.
»Hodierne weiß nicht, daß ich eine Ausnahme war«, erwiderte Alienor heiter. »Ich durfte.«
Sie wandte sich an ihre Tochter: »Marie, dein Vater hat mir geschrieben, daß er dich wieder an seinem Hof zu sehen wünscht, um seine neue Königin zu begrüßen, die ja auch deine Verwandte ist.«
Im letzten Jahr war Louis’ zweite Gemahlin bei der Geburt einer weiteren Tochter gestorben. Diesmal hatten seine Ratgeber auf eine sofortige Neuvermählung gedrängt, denn noch immer war das Königshaus ohne Thronfolger. So hatte Louis sich mit einer Blois, mit Adele de Champagne, vermählt.
Marie machte ein ablehnendes Gesicht. »Ich mag Adele nicht«, sagte sie verdrossen, »und ich hatte in Blois Zeit genug, sie kennenzulernen.« Marie liebte ihren Vater, doch das Leben bei ihm war so eintönig, während das Leben bei ihrer Mutter von ständigen Veränderungen geprägt war, voller Bewegung und Aufregung. Marie nahm an, daß sie ihren Stiefvater Henry eigentlich hassen oder zumindest ablehnen sollte, doch das brachte sie nicht fertig. Statt dessen war sie fasziniert von der außergewöhnlichen Ehe, die ihre Mutter mit ihm führte, und die so anders als ihre eigene oder all jene war, die sie kannte.
»Ich fürchte, du mußt dich mit ihr abfinden«, sagte Alienor und lenkte Maries Aufmerksamkeit wieder auf die neue französische Königin Adele. »Louis wäre ziemlich gekränkt, wenn du ihm antwortest, du würdest lieber hier bleiben. Er würde glauben, Henry und ich halten dich zurück.«
»Aber das ist es nicht…« begann Marie, unterbrach sich aber und seufzte resignierend. »Ihr habt recht, Mutter. Ich werde wohl Vorbereitungen zum Aufbruch treffen müssen.«
Sie unterhielten sich gerade über Maries Reiseweg, als Henry in den Park gestürmt kam. Er nahm Richard in die Arme, schwang den Jungen herum und wandte sich dann an seine Gemahlin: »Alienor, bereite dich darauf vor, Lahme gehen und Taube hören zu sehen. Ich habe nichts Geringeres als ein Wunder vor!«
»Eine Fastenzeit mit täglichen Bußübungen?« schlug Alienor vor, und Henry kniff sie in die Wange.
»Nein, mein liebes Weib, aber mit der Kirche hat es schon zu tun.
Ich habe beschlossen, diesem ewigen Gezänk über kirchliche und weltliche Gerichtsbarkeit ein Ende zu setzen. Gott in seiner unendlichen Güte hat mir die Mittel dazu beschert und den alten Erzbischof von Canterbury zu sich genommen. Das bedeutet, der Platz des obersten Kirchenfürsten ist frei. Muß ich noch mehr sagen?«
Alienor sog die Luft ein. »Du meinst doch nicht…«
»Doch, genau das! Himmel, wird das einen Spaß geben, wenn die anderen Bischöfe es hören.«
Marie wußte nicht, wovon der englische König sprach, doch die Miene ihrer Mutter, die gleichzeitig Erheiterung, Nachdenklichkeit und eine gewisse Besorgnis
Weitere Kostenlose Bücher