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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Bevölkerung dort unterstützte ihn. Toulouse war jedoch ungeheuer wichtig für die Verbindung zum Mittelmeer, und Henry war es gelungen, einen Teil des dortigen Adels mit Versprechungen auf seine Seite zu ziehen. Ein neuer Feldzug stand bevor.
    Während dieser Vorbereitungen hatten Henry und Alienor jedoch ihren ersten wirklich ernsten Streit. Wenn sie vorher gestritten hatten, so war das ein Zusammenstoß von zwei ähnlichen Temperamenten gewesen und so schnell wieder vorbei, wie er gekommen war. Dieser Streit jedoch sollte sich als folgenschwer erweisen.
    Es begann an einem eigentlich harmonischen Abend, als sie beide mit ihren Höflingen in Poitiers dem Spiel von Alienors bevorzugtem Troubadour lauschten, Bernard de Ventadour. Henry war der Musik gegenüber ebenso aufgeschlossen wie seine Gemahlin, die ihm die neue Welt der Lieder und Sänger eröffnet hatte. Bernard de Ventadour stand auch als Gefolgsmann in Henrys Diensten, und jetzt sang er in dem sicheren Gefühl, daß das königliche Paar - der ›Herr des Nordwinds‹ und der ›Goldadler‹, wie er sie nannte - ihm gewogen war, eine Ballade aus dem Sagenkreis um König Artus.
    Doch Alienor konnte sich heute nicht so an Bernards Vortrag er-freuen wie sonst. Sie war zu sehr damit beschäftigt, Henrys Tändelei mit der Gräfin Avisa zu verfolgen. Sie hatte immer gewußt, daß Henry ihr auf seinen Feldzügen nicht treu war, doch heute abend geschah es vor ihren Augen. Sie war zunächst überrascht, dann verärgert und schließlich zornig, und an seinen gelegentlichen belustigten Blicken spürte sie, daß er das sehr wohl bemerkte. Als er mit Avisa verschwand, grub Alienor ihre Nägel so tief in die Handballen, daß ein wenig Blut aus den roten Halbmonden quoll.
    Indessen, als Henry bester Stimmung zurückkehrte, war seine Gemahlin verschwunden. Er nahm an, sie wollte ihre Kränkung über sein Verhalten nicht der Öffentlichkeit zeigen, und besuchte in dieser Nacht nicht ihr Bett, um ihr die Gelegenheit zu geben, sich von ihrem Zorn zu erholen.
    Am folgenden Tag war sie jedoch auf unheimliche Weise liebenswürdig zu ihm, und als er an diesem Abend zu ihr kam, war er auf den lang erwarteten Wutausbruch gefaßt. Alienor entließ ihre Kammerfrauen, die bereits das große Bett aufgeschlagen und sie für die Nacht umgekleidet hatten.
    Betont langsam rieb sie sich mit dem wohlriechenden Öl ein, daß sie seit ihrer Kreuzzugszeit verwendete und nun aus dem Orient kommen ließ. Sie saß vor ihrem aus Bronze gehämmerten Spiegel, und Henry, der ihr Bild sah, spürte den Zweck ihrer Demonstration und war einmal mehr von den ungeheuren Reizen seiner Frau gefangen.
    »Wo warst du eigentlich gestern abend?« fragte er beiläufig. Alienor wandte sich ihm mit strahlendem Lächeln zu.
    »Henry, Teuerster, errätst du es nicht? Ich habe eine ungemein befriedigende Nacht mit deinem so anregenden Vasallen, dem Grafen Leicester, verbracht.«
    Henrys Miene wandelte sich schlagartig. »Sag das noch einmal!«
    »Aber das kann dich doch kaum überraschen, Geliebter. Ich wundere mich, daß du meine Abwesenheit überhaupt bemerkt hast, du warst doch so beschäftigt.«
    »Du hast es nicht getan!« Mit zwei Schritten war er bei ihr und packte sie an den Handgelenken.
    Alienors braune Augen tauchten voll Spott in die seinen. »Und warum sollte ich nicht? Du kennst mich doch, Henry. Denk nach.
    Habe ich es getan?«
    Henry hatte nicht gewußt, daß Alienor solche sprachlose, weißglühende Wut in ihm auslösen konnte. Er ließ sie los und schlug sie, ohne sich zu besinnen, ins Gesicht. Alienor schlug ohne zu zögern zurück, doch als er sie erneut ergreifen wollte, kam ihm der Schemel in den Weg, auf dem sie gesessen hatte, und diese Unterbrechung ließ ihn wieder etwas zur Besinnung kommen.
    Schwer atmend, standen sie sich beide gegenüber und starrten einander an. »Es tut weh, nicht wahr, Henry?« fragte Alienor leise und beobachtete, wie das pulsierende Blut sein Gesicht langsam verfärbte. »Ich hoffe nur, es tut sehr weh und demütigt dich genauso, wie du mich gedemütigt hast!«
    Seine Hände ballten sich zusammen und öffneten sich wieder.
    »Du bist das unverschämteste Miststück, das mir je begegnet ist.«
    »Dann sieh in den Spiegel, Henry.«
    Er hob die Hand, als wolle er sie noch einmal schlagen, sie fing sie ab, und unversehens waren sie in einen wütenden und stummen Ringkampf verwickelt, der auf dem Boden endete.
    »Ergibst du dich?« keuchte er. Unversehens ging ihnen die

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