Die Logik des Verruecktseins
mehr Richtung Qualität investiert wird. Die gegenteilige Strategie sei aus Gründen der Vollständigkeit ebenfalls erwähnt. Es handelt sich dabei um die so bezeichnete r-Strategie, wobei »r« für Wachstumsrate steht. Typische r-Strategen investieren kaum in die einzelnen Nachkommen, stattdessen massenhaft in die Nachkommenzahl. So legen Austern z.B. ca. 500.000 Eier pro Jahr.
Wir Primaten sind hingegen typische K-Strategen. Daraus ergibt sich ein großes Problem. Wenn in sehr wenige Nachkommen sehr aufwendig investiert wird, »frau« in ihrem gesamten Reproduktionszyklus nur zwei oder drei Jungen zur Welt bringt, muss durch die Weibchen sorgfältigst ausgewählt werden. Sie müssen sich vor der Reproduktion sicher sein, dass das Männchen zuverlässig ist und über genug Ressourcen verfügt, um sich, ähnlich wie die »Schienenbeißermännchen« dies tun, anhaltend um sie und den Nachwuchs kümmern zu können. Frauen sollen, wie in kulturvergleichenden großen Studien angeblich gezeigt werden konnte, überall auf der Welt Männer bevorzugen, die einige Jahre älter sind und über eine gute soziale Reputation verfügen, also z.B. beruflich etwas darstellen. 31 Stimmt dies, dann besitzen Frauen eine evolvierte »Partneridee«, mit der sie die Männerwelt abscannen und abgleichen. Passt das innerliche Muster zum äußerlichen Raster, entsteht eher das Gefühl des Interesses am anderen, als wenn keinerlei Übereinstimmung gefunden werden kann. Hiermit ist keinesfalls gemeint, dass dies immer so sein muss. Die Lebenserfahrung zeigt, dass Frauen durchaus auch jüngere Männer heiraten. Wenn Sie aber als Leser oder Leserin ihren Bekannten- und Freundeskreis durchforsten, wie häufig sind Frauen mit solchen Männern zusammen, die sozial aufgrund des Einkommens oder des beruflichen Prestiges »unter ihnen stehen«? Es geht dabei natürlich nicht nur darum, was einer ist, sondern
auch, was einer verspricht, zukünftig werden zu können. Und umgekehrt? Wie häufig sind Beziehungen vertreten, bei der ein Mann sehr viel Wert darauf gelegt hat, dass die Partnerin sozial mehr darstellt als er selbst?
Projektionen und Fehlinterpretationen
Eine der Grundthesen dieses Buches lautet, dass im evolutionären Verlauf bestimmte Themenfelder in unserer Gehirnstruktur hinterlegt worden sind, weil diese letztlich einen evolutionären, streng genommen reproduktiven Vorteil erbrachten . Den richtigen Sexualpartner zu wählen wäre auch eine solche Strategie, dabei haben die Geschlechter unterschiedliche Präferenzen, da ihr Aufwand in die Kinderaufzucht unterschiedlich gewichtet ist. Aber wie können diese Thesen bewiesen werden?
Wiederum mit Hilfe der menschlichen Psychopathologie. Wir gehen ja davon aus, dass die menschliche Psychopathologie davon geprägt ist, dass eine bestimmte, evolutionär gewachsene Problemlösungsstrategie sich verselbständigt, dirigierend die Oberhand gewinnt und somit das Weltverständnis des betroffenen Menschen formt. Bei diesem psychopathologisch verformten Weltverständnis, man könnte auch sagen, bei dieser Verrückung oder bei diesem »Verrücktsein«, wird der Welt etwas beigemischt und untergeschoben, was so nicht wirklich vorhanden ist, wovon sich der Betroffene aber auch nicht zu distanzieren vermag. Diese Beimischung nenne ich Projektion.
Projektionen finden allerdings auch im Gesunden laufend statt. Denken Sie an optische Täuschungen. Da wirken beispielsweise auf einer Zeichnung zwei Balken unterschiedlich lang, obwohl sie die gleiche Länge besitzen, nur weil die Umgebungssituation mit anderen Balken unser Gehirn zu dieser Fehlinterpretation verleitet. Aufgrund seiner Vorerfahrungen projiziert unser analysierendes Gehirn Strukturmerkmale in die Zeichnung, die so nicht existent sind. Ein anderes Phänomen, bei der die projektive Tätigkeit unseres Gehirns deutlich wird, sind sogenannte Pareidolien, »Nebenbilder«. So gut wie jeder kann in ein Tapetenmuster oder in eine Wolkenstruktur
ein Nebenbild hineinsehen. Da werden dann Hunde gesehen oder Köpfe, Drachen oder was auch immer. Wieder wird bei diesem Phänomen der Welt eine Teilstruktur unterstellt, die so nicht vorhanden ist, die der Betrachter vielmehr an das Objekt heranträgt oder eben in dieses hineinprojiziert. Der berühmte psychologische Tintenkleckstest, der Rorschachtest, funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Die Themen der projizierten Nebenbilder sollen dabei Aufschluss auf die Persönlichkeitsstruktur zulassen.
Unser Gehirn
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