Die Logik des Verruecktseins
Raum gelichtet und das Binnenvolumen gedehnt. Im dritten Raum ist nun Platz für den Doppelergänzer, für einen weiteren Ergänzer neben der Mutter. Dies bedeutet für den Nachwuchs zwar mehr Unterstützung, mehr Information, jedoch auch mehr Enttäuschungsrisiken und Trennungsahnungen. Hier gewinnen gewagte Dreiecksverhältnisse erste evolutionäre Konturen, deren Zugspannung dadurch entsteht, dass die Beteiligten potentiell eher zu Zweierverhältnissen neigen statt zu Dreierverhältnissen. Jedes Mehr an Zuwendung in die eine Richtung des Dreiecks kann als schmerzlicher Entzug von Aufmerksamkeit erfahren werden. Ging es im zweiten Raum bezogen auf die interpersonellen Situation um die verschwommen unklare Grenze zwischen mir und dir, dann geht es hier im dritten Raum um meine Bedeutung für euch. Seht ihr mich noch, wenn ihr euch anseht? Hominide mussten lernen, andere in sich zu behalten, auch wenn diese kurzzeitig in andere Beziehungsrichtungen weggingen, und Fähigkeiten zur Mitfreude unter Ausschluss des eigenen Mitmachens entwickeln. Aufmerksamkeit ist nun keine inflationär großzügig verteilte Ware mehr, ihr Preis steigt an, und es muss sich um sie in einer neuen Dimension stetig bemüht werden. Hier verästeln sich neue Zweige am Busch des Selbstwertgefühls, und neue Kränkungshorizonte tun sich für alle Beteiligten auf . Der dritte Raum bereichert auf der einen Seite und macht ärmer auf einer anderen.
Verglichen mit dem Schienenbeißer investieren Primaten und der Mensch unendlich mehr in die Aufzucht des Nachwuchses. Menschliche Intimbeziehungen ähneln deshalb in ihren Rahmenbedingungen eher »Schienenbeißergemeinschaften« als »Wartendengemeinschaften«. Die Eifersucht ist infolgedessen ein in uns tief verankertes Warnsystem, das wir zur Beziehungsmodulation ebenso benötigen wie unsere Liebesfähigkeit. Ohne Liebe und ihre dazugehörigen Schattierungen, wie Zuneigung, Respekt, Vertrauen oder Erotik, binden sich Partner nicht ausreichend aneinander, um das schwergewichtige, nur gemeinsam zu tragende Unternehmen »Reproduktion« zu bewältigen. Unabhängig davon, welche kulturellen Vorlieben und Erwartungen
herrschen, von hoher Kinderzahl bis zur Nullkindfamilie, wir sind heute nur da, weil viele Generationen vor uns dieses Unternehmen mit Hilfe evolutionär gewachsener Strategien erfolgreich betreiben konnten.
Otellex ® würde diese Strategien außer Kraft setzen, und unsere Einnahmephobie ist ein Hinweis darauf, dass diese Strategien von uns weiter als nützlich angesehen werden. Wie die erwähnten evolutionären Regeln sich in Psychopathologien demaskieren, davon im folgenden Kapitel mehr.
8. Investoren
Liebeswahn als Beispiel für optische Seelentäuschungen
Im vorangegangenen Kapitel konnten wir sehen, dass menschliche Intimverhältnisse in ihrer emotionalen Aufladungs- und Entladungsbereitschaft evolutionär gewachsenen Themenfeldern folgen, die teilweise unter den Geschlechtern aufgrund unterschiedlicher Problemstellungen variieren. Die Liebes- und Eifersuchtskompetenz geht dabei bei Individuen wie den Menschenprimaten aufgrund der wenigen Reproduktionsmöglichkeiten unweigerlich koevolutionär Hand in Hand.
Wie aber sieht es bei den beiden Geschlechtern in Bezug auf Beziehungsängste und Beziehungswünsche, an dieser Stelle noch jenseits des eigentlichen Körperlichen, genau aus? Auf welchem evolutionären Boden sind sie erwachsen? Und was bedeutet dies alles für unser Thema der menschlichen Psychopathologie und den Aufbau des Seelenlabyrinthes?
Beziehungswünsche von Frauen, Beziehungswünsche von Männern
Arten investieren unterschiedlich intensiv und mit unterschiedlichen Zielen in ihre Nachkommen. 30 Keine Art investiert aufwendiger in ihre Nachkommen als der Mensch. Kinder benötigen als ausgesprochene Nesthocker jahrelange Unterstützung und Begleitung. Der Mensch folgt dabei einer evolutionären Entwicklungsstrategie, die bei den Frühprimaten beginnt und bei den verschiedenen Primatenarten hin zu den Menschenaffen allmählich anwuchs. Diese Strategie besagt, dass immer mehr Investition in immer weniger Nachkommen
stattfindet, auch als K-Strategie bezeichnet, wobei »K« für Kapazitätsgrenze steht. Wenn eine Population evolutionär an den Grenzen ihrer Wachstumsmöglichkeiten angelangt ist, macht eine steigende Investition in immer mehr Nachkommen keinen »Sinn« mehr. Stattdessen wächst die Population insgesamt nicht mehr an, weshalb in immer weniger Nachkommen immer
Weitere Kostenlose Bücher