Die Ludwig-Verschwörung
Milwaukee«, erklärte er schließlich. »Der Chef will noch einen Hintergrundbericht über Neuschwanstein. Also muss ich noch mal ran, ich hab mich deshalb früh aufs Ohr gelegt. Sorry, ich hoffe, Sie hatten auch ohne mich Spaß.«
Luise Mansteins Blick glitt nun über Sara und Albert Zöller, die sich nichtsahnend dem Maserati genähert hatten. »Ihre beiden Begleiter?«, wollte sie wissen.
»Ah, das ist nur Al … Adolf, mein deutscher Fotograf«, unterbrach sie Steven hastig. »Und die Kleine da ist Peggy, meine Praktikantin.«
Steven sah Sara und Albert Zöller verzweifelt an und gab mit der Hand kleine Zeichen. Schon wollte Zöller etwas erwidern, doch Sara fiel ihm hastig ins Wort.
»Remember the tickets, Mr. Landsdale!«, kiekste sie im breitesten Texanisch. »We got to be at the castle at one pm.« Zöller stieß einen leisen Schmerzensschrei aus, als Saras Absatz ihn am Schienbein traf.
»Wollen Sie etwa jetzt hoch zum Schloss?«, fragte Luise Manstein überrascht. »Das würde ich Ihnen nicht empfehlen. Da droben ist gerade die Hölle los, genauso gut können Sie über Disneyland schreiben.«
Steven zuckte mit den Schultern, mittlerweile fühlte er sich wieder einigermaßen sicher in seiner Rolle als amerikanischer Provinzjournalist. »Ich weiß, aber die Story muss bis spätestens morgen fertig sein. Und eine Presseführung habe ich so kurz nicht bekommen können. Mich interessieren ohnehin mehr die … äh … historical facts.«
»Soso, die historical facts.« Die Konzernchefin sah ihn eine ganze Weile lang mit einem schmalen Lächeln an, Steven spürte, wie ihm der Schweiß unter dem Trachtenhut langsam in den Nacken lief.
»Wissen Sie was, Mister Landsdale? Sie gefallen mir«, sagte Luise Manstein schließlich. »Ich habe ein Faible für Amerika und seine Art, Fakten in Märchen zu packen. Darüber sollten wir uns einmal länger unterhalten …« Sie zwinkerte ihm zu und machte eine etwas längere Pause als nötig. »Ich mache Ihnen deshalb einen Vorschlag. Was würden Sie von einer nächtlichen Führung halten?«
»Einer … nächtlichen Führung?« Der Antiquar blinzelte sie verdutzt an. »Aber wieso …«
Luise Manstein lächelte breit. »Glauben Sie etwa, ich bin zum Vergnügen hier in Neuschwanstein? Manstein Systems hat vor einiger Zeit einen größeren Auftrag hier übernommen. Das Schloss braucht eine technische Generalüberholung. Ein interaktives Museum, die Verbesserung der Logistik und des Transports, eine neue Software für die Buchungen … Vor allem aber ein modernes Sicherheitssystem samt neuer Alarmanlage.« Sie deutete auf eine der Kutschen, die soeben gemächlich mit einer Ladung Japaner an ihnen vorüberzuckelte. »Technisch steckt dieser Ort noch im letzten Jahrhundert, dabei beherbergt er ein milliardenschweres Weltkulturerbe. Man kann nur froh sein, dass nicht bereits irgendwelche Terroristen auf die Idee gekommen sind, das Schloss in die Luft zu jagen.« Kopfschüttelnd blickte sie hoch zu dem stolzen Gebäude, das wie in einem Cinderella-Film strahlendweiß über ihnen aufragte. »Für meine Firma ist dieser Auftrag hauptsächlich gut fürs Renommee, Geld spielt da eher eine untergeordnete Rolle.«
»Und Sie würden uns tatsächlich abends in das leere Gebäude bringen?«, fragte Steven erstaunt.
»Uns?«
Steven wies schulterzuckend auf Sara und Albert Zöller. »Na ja, meine Praktikantin und den Fotografen müsste ich natürlich mitnehmen.«
»Von mir aus.« Luise Manstein wirkte nun noch ein paar Grad kühler. »Ich muss ohnehin noch mal rein. Die neuen Überwachungskameras sind gestern erst eingebaut worden, und die Alarmanlage hat noch ein paar Macken. Ich bin eine jener lästigen Chefinnen, die gerne noch einmal alles selbst nachprüfen. Weiblicher Argwohn, wenn Sie so wollen.« Sie zwinkerte ihm erneut zu. »Außerdem muss ich gestehen, dass es mich tatsächlich reizt, Neuschwanstein einmal nachts zu sehen. Vor allem das Schlafzimmer.« Langsam fuhr die verspiegelte Scheibe auf der Fahrerseite wieder hoch. »Überlegen Sie es sich, Mister Landsdale. Ich bin um neun Uhr oben am Torhaus. Vielleicht haben Sie danach ja noch Lust auf ein Glas Martini. So long!«
Der Motor heulte auf, und schon kurz darauf verschwand der Maserati hinter dem nächsten Souvenirladen.
»Peggy und Adolf!«, zischte Sara nach einer Weile. »Etwas Blöderes ist dir wohl nicht eingefallen! Klingt wie Dick und Doof oder Tom und Jerry. Und was soll das heißen, ich bin deine
Weitere Kostenlose Bücher