Die Lüge im Bett
pikiert.
Nina schildert ihr nun ihre Beobachtungen in Berlin. Und sie sagt ihr auch gleich, wer ihrer Meinung nach dieses ominöse Mitglied des Hauses ist, das aus ihrem Material einen Film basteln wird. »Scheiße!« schließt sie impulsiv.
»Das wollte ich auch gerade sagen!« Nadine Hahn klingt aufgebracht. »Liebesaffären im Sender sind einfach das allerletzte! Jedesmal Ärger, Eifersüchteleien, Zoff! Man sollte es verbieten! Erst Sie, jetzt er! Es wird immer besser!«
»Ja!« stimmt Nina zu.
»Aber damit kommt er nicht durch. Gut, daß ich Bescheid weiß, danke, da werde ich mal ein paar klärende Gespräche führen müssen!«
»Riskieren Sie bloß nicht Ihre Stelle!«
Nadine lacht bitter und legt dann auf.
»Mein Job ist geplatzt«, sagt sie zu Gabriel, der aufmerksam zugehört hat.
»Es ist ja auch verrückt, daß du dich um mich kümmerst, wo du selbst genug Ärger am Hals hast!«
Nina öffnet einen Joghurt. »Das ist nicht verrückt, das ist weiblich!« Sie schleckt den Deckel ab. »Frauen sind eben so! Selbstlos und aufopfernd!«
Er grinst. Das Telefon klingelt erneut. »Machst du mir noch so einen tollen Milchkaffee?« fragt sie, während sie nach dem Hörer greift.
»Wie könnte ich dir etwas abschlagen?« Er wirft ihr eine Kußhand zu.
»Na!« Nina lacht und nimmt ab. Diesmal ist es wirklich Ralf Hoffarth. Nina erzählt ihm von dem gestrigen Besuch und will wissen, was mit Tim passieren wird.
»Nun, wenn Sie einen Strafantrag gegen ihn stellen, wird er sich wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten müssen. Das ist dann aber Sache der Staatsanwaltschaft.«
»Und dann?«
»Bei einem Erwachsenen kann das bis zu fünf Jahre bedeuten. Wie alt ist er, sagten Sie?«
»Sechzehn.«
»Nun, da wird ihm vermutlich nicht allzuviel passieren!«
»Wäre es nicht besser, vor dem Strafantrag zunächst einmal mit jemandem vom Jugendamt zu sprechen? Vielleicht gibt es ja einen Weg, wie man ihn wieder geraderücken kann. Durch Einzelbetreuung, Gruppenerlebnis oder so etwas. Ich kenne mich da nicht aus.«
»Er hat Sie mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen!«
»Ja, ich weiß! Aber wenn man ihm nicht hilft, rutscht er vielleicht ganz ab. Den Nächsten schlägt er dann nicht zusammen, sondern bringt ihn gleich um und verbringt den Rest seines Lebens im Knast. Und wem ist damit geholfen? Ihm nicht und uns auch nicht. Vielleicht kann man ja jetzt noch was tun!«
Der Beamte ist zwar anderer Meinung, aber er verspricht Nina, den Fall zunächst einmal mit jemandem vom Jugendamt zu besprechen und sich dann wieder bei ihr zu melden.
Nina bedankt sich und lacht Gabriel an. »Eigentlich müßte ich Gabriel heißen. Erzengel Gabriel. Ich bin einfach zu gut für diese Welt, ich weiß überhaupt nicht, warum ich noch da und nicht längst weggeflogen bin!«
»Bleib besser da! Sonst bin ich ganz allein!« Nic steht im Bademantel in der Tür und streckt sich gähnend.
»Na, na«, droht Gabriel scherzhaft mit dem Zeigefinger, »wenn ich da was merke .«
Wenn du was merkst, wird's schon zu spät sein, denkt Nina und lächelt ihm zu: »Einem Mann wie dir kann doch nur ein Verrückter untreu werden!« Sie betrachtet Nics muskulöse Beine unter dem kurzen Bademantel und spürt, wie ihr heiß wird. Ich werde dich so verrückt machen, bis du nicht mehr anders kannst, schwört sie sich.
Nina verbringt den Tag, indem sie eine Idee für einen Fernsehbeitrag niederschreibt. Vielleicht setzt sich Nadine Hahn im Sender ja durch. So lange muß sie sich von ihrem Brasilienfilm innerlich lösen und sich auf andere Dinge konzentrieren. Ein Beitrag über jugendliche Straftäter in Deutschland und deren Resozialisierung wäre sicherlich auch ein gutes Thema. Schreib über das, was du kennst - die Sätze ihres früheren Redaktionschefs bei der Tageszeitung hat sie im Ohr, während sie den Rahmen für eine Story festlegt. Diesmal hat er, weiß Gott, recht!
Am Abend ruft sie ihre Eltern an, erzählt, daß sie mit Nic wegen eines Castings nach Los Angeles fliegen wird, erzählt, daß sie im Bistro gut Geld verdiene und Rosa Heckschneider sich nach einer ordentlichen Redaktionsstelle für sie umschaue, erzählt, daß sie gerade an einer Idee für einen Fernsehbeitrag arbeite, erzählt alles, nur nichts vom Überfall, und verspricht, nach ihrer Rückkehr aus Los Angeles für ein paar Tage nach Hause zu kommen. Bis dahin dürften die Haare rund um die Platzwunde am Hinterkopf wieder etwas nachgewachsen sein,
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