Die Lüge im Bett
Rechtsradikalen, die Extremisten. Von denen hört man so was doch immer!«
Ralf nickt. »So einer wohnt aber nicht im Haus!«
»Dann bleibt's wohl bei Unbekannt«, meint Nina und reicht ihm die Hand. »Jetzt habe ich wenigstens mal die Hausbewohner kennengelernt!«
»Und Ihren Humor nicht verloren, das ist ja auch etwas. Also, gute Besserung - und wir ermitteln weiter. Sie hören von uns.«
Nina geht hoch und legt sich auf die Couch. Gabriel und Nic sind unterwegs, sie kümmern sich um den Wagen. Ruth Scherbling hat Nina bereits am Morgen angerufen, um ihr rechtzeitig mitzuteilen, daß sie die nächsten drei Tage im Bistro fehlen wird. Nur bei ihren Eltern zögert sie. Nicht daß die beiden plötzlich noch anreisen. Sie ruft Rosa Heckschneider an und berichtet ihr, welche Idee ihr mit dem Filmmaterial über Brasilien gekommen sei und was Nadine Hahn über die Möglichkeit eines Verkaufs gesagt hatte.
Rosa findet es gut. Sie sei zwar selbst gerade in der recht hektischen Vorbereitung zu einem neuen Theaterstück, aber Mona Lisa fände sie gut. Sie werde mal die Redaktionsleiterin anrufen.
Es ist alles geregelt. Nina läßt sich zufrieden zurücksinken und schläft ein.
Sie verschläft den gesamten Nachmittag und wacht erst auf, als Gabriel und Nic zurückkommen. Nic trägt einige Alubehälter. »Wir haben uns beim Inder vorkochen lassen«, sagt er.
»Schön scharf, das tötet alle Bakterien!« Er deutet auf ihren Kopf.
»Ich habe mehr Vertrauen zu einer Tetanusspritze!«
Gabriel lacht und überreicht ihr einen gewaltigen Strauß champagnerfarbener Rosen. »Die Firma hat zusammengelegt und wünscht dir gute Besserung!«
»Das ist aber lieb von euch. Ich habe auch eine Überraschung! Nach dem Essen!«
Sie essen schneller als sonst, denn alle sind gespannt. Die Männer auf Ninas Überraschung und Nina auf die Reaktion der beiden. Gabriel räumt das Geschirr ab und holt Champagnergläser, Nic stellt den Blumenstrauß in die Mitte des Tisches, Nina klemmt sich den Brief unter die Achseln und geht zum Kühlschrank, um die Flasche zu öffnen. Da klingelt es. Nina drückt auf den Türöffner, aber es klopft bereits an der Tür.
Gabriel steht mit den Champagnergläsern hinter ihr. »Laß bloß keinen rein. Möglichweise hat er jetzt den Baseballschläger gegen eine Kalaschnikow ausgetauscht!«
»Quatsch!« Nina schaut ihn schief an. »Das hat sich erledigt!«
»Na!?!«
»Wer ist da?«
Die Stimme klingt hohl durch die massive Jugendstiltür.
»Gerda Windmüller, ihre Nachbarin!«
Nina und Gabriel schauen sich kurz an, dann öffnet Nina. Die Frau aus dem Lebensmittelgeschäft wartet nicht allein vor der Tür. Ein etwa sechzehnjähriger Junge mit kahlgeschorenem Kopf steht neben ihr, trotzig verbissener Mund, verkniffene Augen.
»Dürfen wir?«
Nina nickt und tritt zur Seite, Gerda Windmüller schiebt den Jungen vor sich her in die Wohnung. Die beiden stehen unschlüssig in der Diele.
Nina sieht den Jungen kurz schweigend an, dann sagt sie:
»Du warst es, stimmt's? Und warum? Was habe ich dir getan?«
Nic kommt jetzt auch dazu. Er bleibt abwartend in der Wohnzimmertür stehen.
»Wollen wir nicht hineingehen?« fragt Gabriel mit einer Kopfbewegung zu Nic.
»Ja!« Nina geht voraus, stellt die Flasche ab, legt den Brief zur Seite. Alle setzen sich abwartend an den großen Tisch.
»Er ist der Sohn meiner Schwester«, beginnt Gerda Windmüller und schaut ihn seufzend an. Dann ist es wieder still. Nina mustert ihre Nachbarin. Sie trägt eine Lodenjacke, darunter eine helle Seidenbluse mit Schleife. Eigentlich sieht sie nicht nach einem mißratenen Neffen aus. Der Junge sagt nichts, starrt auf den Tisch.
»Meine Schwester hat die Alzheimer-Krankheit. Es ist zu spät erkannt worden, erst als der Junge völlig verwahrlost war.«
»Aber warum schlägst du dann auf mich ein?« Nina spricht ihn direkt an. Er zuckt die Schultern.
»Der Junge hat keinen Vater. Er kam in ein Jugendheim, nachdem meine Schwester ins Pflegeheim gebracht worden war.«
»Und Sie?« will Nina wissen. Wie kann so etwas an einer Schwester vorbeigehen?
»Ich pflege unsere Mutter. Sie wohnt bei mir, ist bettlägerig.«
Nina sagt nichts darauf.
»Wie sind Sie darauf gekommen, daß er es war?« Nic scheint das eben Gehörte nicht weiter zu berühren, er mustert den Jungen mit offener Abscheu.
»Er taucht manchmal überraschend auf. Er mag seine Oma sehr ... seine Mutter mußte in seiner Kindheit ja arbeiten, und deshalb war er oft bei
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