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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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tut mir Leid.» Ehe sie das nicht gehört hatte, wollte sie auch nichts anderes hören, nur ihre Ruhe.
    Doch die ließ man ihr nicht. Lilo brauchte nur eine knappe Woche, um sie aufzuspüren. Und Lilo begriff nicht, was geschehen war. Niemand begriff es. Die gesamte Nachbarschaft hatte das Drama vor zwei, inzwischen fast drei Jahren erlebt, als Nadia ihre Arbeit bei der Düsseldorfer Privatbank verlor und zu saufen begann. Da hatte jeder damit gerechnet, dass Michael seine Sachen packte. Dass es nun zur endgültigen Trennung gekommen sein sollte, ohne dass etwas Gravierendes geschehen war – wie sollte ein Mensch das verstehen?
    Als Erstes beschaffte Lilo ihr einen Termin bei ihrem eigenen Gynäkologen. Sie hörte nicht nur zum ersten Mal das Herz ihres Kindes schlagen, sie sah es auch, dieses winzige Geschöpf, für das sie sich noch einmal auf Nadias Spiel eingelassen hatte.
    Kurz darauf kam Jo. Er hatte sich seine eigene Theorie zurechtgelegt. Da er nicht genau wusste, wer im Nebenhaus gegen Kinder und wer dafür gewesen war, vermutete er, Michael sei dagegen, und bot an, ein ernstes Wort über die Verantwortung mit ihm zu reden. Wo doch nun Weihnachten vor der Tür stand, das Fest der Liebe.
    «Lass ihn in Ruhe», bat sie. «Ich glaube, das ist am besten.»
    «Willst du über die Feiertage allein im Hotel sitzen?», fragte Jo.
    «Nein, ich fliege nach Genf», sagte sie.
    Wolfgang kam auch einmal – mit einem schlechten Gewissen, das sich in seiner Theorie begründete. Michael war gegen ihren Einsatz bei Zurkeulens Überführung gewesen, sie dafür. Und vermutlich nahm Michael an, sie habe ihm einen Gefallen tun wollen wegen ihrer alten Geschichte.
    «Aber das kommt wieder in Ordnung», meinte Wolfgang zuversichtlich. «Ich verstehe nicht, dass er so ein Theater darum macht. Er führt sich schlimmer auf als damals am Pool. Weißt du noch?»
    Sie wusste nicht. Er grinste. «Zum Teufel, da habe ich gedacht, er bricht mir das Genick.» Wieder ernst, fügte er an: «Aber wie auch immer. Es ist alles glatt über die Bühne gegangen. Er wird einsehen, dass es so die beste Lösung war. Lass den Kopf nicht hängen.»
    Es war ein Leben wie auf Eierschalen. Täglich konnte jemand auftauchen, der von Lilo gehört hatte, wo sie sich aufhielt. Irgendein Fremder, der ihr etwas Tröstliches sagen wollte. Dieter bemühte sich darum, eine Wohnung für sie aufzutreiben – irgendwo in weiter Ferne. In Bayern oder Niedersachsen vielleicht, weil sie partout nicht nach Rumänien wollte. Lilo hielt das Hotelzimmer ebenfalls für einen unhaltbaren Zustand und war schneller.
    Kurz nach Weihnachten kam Lilo mit der Riesenüberraschung einer großen, hellen Wohnung mit Dachterrasse in ruhiger Lage am Stadtrand. Es war in etwa die Wohnung, die Nadia ihr versprochen hatte. Sie konnte nicht nein sagen, wollte auch nicht wirklich weg. In Michaels Nähe bleiben, erreichbar sein für den Moment, in dem er begriff, dass siekeine Schuld hatte an Nadias Tod. Irgendwann musste er das einsehen.
    Die Einrichtung der Wohnung riss eine ziemliche Lücke in Nadia Trenklers Konten. Aber die füllte sich auf wundersame Weise wieder. Irgendwann wollte sie den beständig sprudelnden Quellen auf den Grund gehen und sicherstellen, dass sie nicht das Geld betrogener Anleger ausgab. Dieter meinte, das sei nicht der Fall. Nadia müsse auch irgendwo eigenes Vermögen angelegt haben. Und sie kam nicht dazu, sich darum zu kümmern.
    Lilo war unermüdlich in ihrem Bestreben, sie aus dem schwarzen Loch der Depression zu reißen, informierte sie regelmäßig über Michaels Aktivitäten, überbrachte Botschaften, deren Sinn Lilo schleierhaft blieb. Er war nach Neujahr in Genf gewesen, Lilo sollte ausrichten, ihre Eltern seien informiert. Sie müsse sich keine Sorgen machen. Es sei alles in Ordnung. Nichts war in Ordnung! Und es konnte nie mehr alles in Ordnung sein.
    «Wozu hat er mit deinen Eltern gesprochen, Liebes?», fragte Lilo. «Du warst doch selbst während der Feiertage bei ihnen. Konntest du dich nicht überwinden, es ihnen zu sagen? Du machst dir Hoffnungen, dass er noch einmal über alles nachdenkt und sich besinnt, nicht wahr?»
    «Ja», sagte sie.
    «Willst du mir nicht erklären, was geschehen ist?», fragte Lilo. Es reichte ein Kopfschütteln. Lilo verstand, dass es Dinge gab, über die man nicht reden konnte, und stellte fest: «Du hast dich sehr verändert.» Mit einem unsicheren Lächeln fuhr sie fort: «Versteh mich nicht falsch. Ich finde, du hast

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