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Die Luft, die uns traegt

Die Luft, die uns traegt

Titel: Die Luft, die uns traegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Hinnefeld
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einer Englandreise, müssen Sie wissen.
    Das klingt eingebildet, das ist mir klar. Was ich damit nur sagen möchte, ist, dass ich unbedingt einen Weg finden muss, zu zeigen, was ich sehe und was ich empfinde, wenn ich einen Vogel betrachte. Alles andere ist mir jetzt gleichgültig.
    Weswegen ich auch an Ihrem Seminar teilnehme. Und was mich zu einem Problem bringt. Ich muss eine Möglichkeit finden, genügend Zeit mit diesen Vögeln zu haben. Mit dem ganzen Kurs zusammen ist immer zu viel Unruhe, zu viel Hetzerei, es wird zu schnell zum nächsten Vogel gehastet, um mehr Spezies auf die Liste zu bekommen. So kann ich unmöglich zeichnen, und das Zeichnen und spätere Malen ist für mich der einzige Weg, das zu verarbeiten, wenn Sie verstehen, was ich meine.
    Ich musste das Erleben noch nie mit so vielen Menschen teilen. Selbst bei Miss Smallwood und ihrer Gruppe fühlte ich mich nie gedrängt, immer noch mehr zu suchen. Ich bin skeptisch, ob das hier für mich funktionieren wird. (Man hat die Vögel früher nicht ohne Grund geschossen und ausgestopft, möchte ich fast sagen. Aber natürlich meine ich das nicht ernst.)
    Ja, ich werde allein losziehen, sooft ich kann. Aber nun muss ich meine Sorge in dieser Hinsicht eingestehen: Wie werde ich die Vögel finden? Ich kann sehr geduldig warten. Aber es fällt mir so schwer, ihre Stimmen zu erkennen! Dabei brauche ich am meisten Hilfe. Ich glaube, ich habe einfach kein Ohr dafür; die Frage ist, ob ich das wirklich lernen kann.

    Ich weiß, »persönliche Randbemerkungen gehören eigentlich nicht in ein wissenschaftliches Feldtagebuch« – außer, sie betreffen den Forschungsbereich, in diesem Fall unser »Bestreben, diese wunderbaren Geschöpfe zu ergründen«. Ich hoffe, was ich hier geschrieben habe, betrifft das Ihrer Ansicht nach. So oder so musste ich Ihnen das alles wohl einfach erzählen.
    Was ich mir am meisten von diesem Kurs wünsche (darüber haben Sie uns immerhin gebeten zu schreiben), ist zu lernen, eine Vogelstimme zu hören und auf Anhieb zu erkennen, so wie Sie es können.
    Aber ich habe jetzt schon wieder den Gesang der Walddrossel vergessen. Am Montag, als wir ihn im Unterricht hörten, hielt ich ihn für den herrlichsten Klang, den ich je vernommen hatte. Heute würde ich alles darum geben, mich daran zu erinnern, aber er ist weg.

Zwei
    Wie üblich hatten sich mehr Frauen als Männer für Biologie der Vögel eingeschrieben, was allgemein auf Tom Kavanaghs Faszination zurückgeführt wurde. Unter den Studenten hieß der Kurs augenzwinkernd »Vögel und Backfische«. Trotz aller Anziehungskraft aber schreckten der gutaussehende irische Dozent und die berühmte eigenartige Mischung aus Naturwissenschaft, Musik und Lyrik, die er in seinen ungewöhnlichen Unterricht einbrachte, auch viele ab. Zum einen waren da die Gedichte. »Was hat das mit Biologie zu tun?«, fragten die angehenden Chemiker, Physiker oder Biologen regelmäßig. Und zum anderen war da Tom Kavanaghs inbrünstiges Beharren auf den Lehren der Evolutionstheorie, so berüchtigt unter den religiösen und konservativen Studenten Burnhams wie die obligatorischen Exkursionen um fünf Uhr morgens an jedem Werktag des gesamten fünfwöchigen Kurses.
    Cora und Lou nahmen ebenfalls teil. Cora, die im Hauptfach Biologie studierte, hatte sich die Veranstaltung extra bis zum Schluss ihres Studiums aufgehoben. Lou, einem Flirt nie abgeneigt, hatte andere Motive. Während ihrer gesamten vier Jahre in Burnham hatte sie Tom Kavanagh aus der Ferne bewundert – seine drahtige, muskulöse Geschicklichkeit auf dem Basketballplatz, seine Versiertheit auf der Fiddle, wenn er mit
einer Gruppe örtlicher Musiker spielte. Und nun wollte sie ihn näher in Augenschein nehmen.
    Addies Gründe wiederum waren ganz eigener Natur. Sie konnte kaum erwarten, diesen Kurs zu belegen, seit sie im vergangenen Herbst dank eines Vollstipendiums ein Semester in England verbracht hatte, während dessen sie eigentlich in Shakespeare, Milton, Wordsworth hätte schwelgen sollen. Und in dem sie stattdessen in Turners Landschaften und in die Werke John James Audubons eintauchte.
    Woher hätte sie wissen sollen, dass sie sich, vielleicht zum ersten Mal, so heimisch, so wohl in ihrer Haut fühlen würde – in ihrem eisigen Zimmer in Oxford, auf den grauen Straßen Londons, auf durchweichten Pfaden im Lake District oder auf Weiden voller grasender Schafe in den Cotswolds? Und dabei zu ihrer Überraschung entdecken würde, dass sie ein

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