Die Lutherverschwörung
diesem Wettkampf tatsächlich um alles ging. Hatte er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt? Noch immer war er fest davon überzeugt, dass Luther für den Bischof eine tödliche Gefahr darstellte … in mehrfacher Hinsicht.
Dieser Mann hatte Einfluss auf das Volk. Er verbreitete seine Lehren nicht nur von der Kanzel aus, sondern war zugleich ein begabter Schriftsteller. Seine Gedanken verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Dieser Ketzer machte vor nichts halt! Er stellte die Autorität des Papstes in Frage, und auch Konzilien hätten schon geirrt, behauptete er. War es da nicht eine Frage der Zeit, bis er die Kirche selbst angriff – mit allen ihren Repräsentanten? Joseph von Brangenberg musste um seinen Bischofshut und um seine Herrschaft fürchten, für die er einst so teuer bezahlt hatte. Wenn das Feuer, das Luther in seiner unmittelbaren Nachbarschaft gelegt hatte, erst richtig an Kraft gewann, würde es das kleine Bistum wegfegen und den Bischof gleich mit. Brangenberg – und darauf setzte Wulf seine ganze Hoffnung – sah bereits die Flammen auf sich zukommen. Er würde buchstäblich jeden Preis bezahlen, um den Brandstifter zu beseitigen und das Schlimmste zu verhindern.
»Also gut, einverstanden. Aber ich brauche Zeit, um das Geld zu besorgen«, sagte Brangenberg schließlich und blickte zu Boden.
Wulf legte die Stirn in Falten. »Sobald ich die Anzahlung habe, mache ich mich auf den Weg nach Wittenberg. Ich muss herausfinden, wie Luthers Alltag aussieht. Wo wohnt er? Gibt es Momente, in denen man ihn allein und unbewacht antrifft? Erst wenn ich ein genaues Bild von seinen Gewohnheiten habe, kann ich einen Plan entwerfen!«
»Erledige die Sache so, dass niemand an Mord denkt! Nur im äußersten Fall darfst du die Tat offen ausführen! Vor allem ist wichtig, dass niemand einen Zusammenhang zwischen uns vermutet. In der Nähe von Wittenberg lebt ein Waffenschmied, der auf meiner Lohnliste steht. Er ist verschwiegen und zuverlässig; mit ihm kannst du Kontakt aufnehmen. Wenn du weitere Hilfe benötigst, wird er die Botschaft an mich weiterleiten.«
»Waffen sind gar nicht immer nötig. Viele Menschen sterben eines natürlichen Todes«, sagte Wulf, »eine Krankheit rafft sie dahin, oder das Herz spielt nicht mehr mit. Sie schlafen friedlich ein und wachen nie mehr auf …«
»Ich merke schon, du entwickelst einen Plan. Aber achte darauf, dass kein Mensch mich verdächtigt. Sie würden mir den Palast stürmen …«
»Und noch etwas«, sagte Wulf. »Ich brauche ein Buch über Kräuter!«
KAPITEL 4
Lucas Cranach hatte sich in die kleine Kammer zurückgezogen, die an sein Atelier grenzte; er saß dort an einem mit Skizzen bedeckten Tisch und aß nebenbei ein Stück Brot. Auf einem Blatt Papier, das Studien von Händen und Füßen zeigte, stand ein Krug Bier. Er nahm einen kräftigen Schluck, legte das Brot neben den Krug und wischte sich mit der Hand über den Mund.
»Anna«, sagte er, »meine Frau drängt mich zu diesem Gespräch – und sie hat recht. Ich gebe zu, dass ich es wochenlang vor mir hergeschoben habe, auch deiner Tochter zuliebe, denn du weißt, wie gern ich sie mag. Aber Barbara versorgt meinen Haushalt und kümmert sich um die praktischen Dinge des Lebens … Wir müssen jetzt zu einer Lösung kommen!«
Anna hatte sich auf das Gespräch gut vorbereitet. Sie wollte nicht tatenlos hinnehmen, dass man sie aus dem Haus warf. Lange hatte sie vor dem Spiegel gestanden und war entschlossen, sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Cranach war für weibliche Schönheit empfänglich, das wusste sie genau. Und so hatte sie ihr glattes, dunkelblondes Haar gekämmt, das dort, wo es auf die Schultern fiel, eine Welle bildete. Sie hatte sich nicht einmal gescheut, ins »Badehaus« zu gehen und mit Hanna ein langes Gespräch zu führen. Hanna hatte ihr Ratschläge erteilt und allerlei Salben und Tiegel ausgeliehen, die einer Frau helfen, manches zu kaschieren und anderes zu betonen.
Annas sonst eher blasse Wimpern waren jetzt schwarz, und auch um die Augenlider hatte sie dezent Farbe aufgetragen, um die klaren, graublauen Augen hervorzuheben, mit denen sie einen Menschen sehr intensiv, fast durchdringend, anschauen konnte. Auch ihre Lippen glänzten rötlicher als sonst. Während sie in den Spiegel schaute, hatte sie um ihren Mund einen bitteren Zug entdeckt, den sie noch nicht an sich kannte.
»Ich verstehe, dass Martha und ich euch zur Last fallen, und ich möchte mich gern nützlich machen.«
»Das
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