Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
Vom Netzwerk:
ist gut gemeint«, sagte Cranach, »aber meine Mägde und Knechte arbeiten schon lange für mich. Ich wüsste beim besten Willen nicht, womit ich dich beschäftigen sollte. Martha ist ja auch erst ein Kind von sieben Jahren …«
    Anna schluckte und presste die Lippen aufeinander. Sie hatte gewusst, dass er so etwas sagen würde. Alles lief darauf hinaus, sie und Martha aus dem Haus zu schicken. Vielleicht würde er ihr noch eine Übergangsfrist anbieten. Sie hatte sich zwar etwas überlegt, aber nun fiel es ihr schwer, darüber zu sprechen. Es war, als hätte sie einen Kloß im Hals, der ihr die Luft abdrückte. Immer wieder hatte sie sich die Worte zurechtgelegt und die besten Formulierungen geübt. Aber jetzt, wo es so weit war, schien alles vergessen. Es half alles nichts, sie musste gleich zur Sache kommen.
    »Ich könnte dir Modell stehen!« Ihre Stimme kam ihr schwach und brüchig vor, während sie sprach.
    Cranach sagte erst einmal nichts, aber sie bemerkte seine Überraschung. Sein Blick schien ihr skeptisch, sicher würde er gleich irgendwelche Gründe finden, die dagegen sprachen.
    »Modell stehen?«, wiederholte er, um Zeit zu gewinnen. Die Falte zwischen seinen Augen war kein gutes Zeichen.
    Auf einmal brach es aus ihr heraus. Sie sprach sehr schnell, als laufe ihr die Zeit davon. »Aber natürlich, du suchst doch immer Modelle. Erinnerst du dich nicht, wie du einmal vor zwei oder drei Jahren zaghaft versucht hast, das Thema anzusprechen? Und als du merktest, dass Berthold gereizt darauf reagierte, hast du es schnell fallen lassen und nie mehr ein Wort darüber verloren. Ich hätte schon damals Lust dazu gehabt; außerdem habe ich euch oft bei der Arbeit zugesehen. Berthold hat mir auch viel erzählt. Ich weiß schon, worauf es ankommt – und was ich noch lernen müsste, könnte ich mir schnell aneignen.«
    »Nein«, sagte Cranach fest entschlossen, »das kommt nicht in Frage.« Dabei rieb er sich das bärtige Kinn.
    »Aber warum nicht?«
    »Weil es nicht geht.«
    Sie glaubte zu verstehen, was er meinte, obwohl er es nicht aussprach. Sie musste seine Bedenken unbedingt zerstreuen. Martha besuchte eine Schule, aber das würde sie bald nicht mehr bezahlen können. Dann würde sie sich eine Arbeit als Näherin oder Wäscherin suchen müssen – oder, falls es noch schlimmer kam, musste sie von Tür zu Tür ziehen und um Almosen betteln. Eines Tages würde man sie aus der Stadt jagen, bis schließlich irgendwann die Straße ihr Zuhause war. Sie kannte solche Schicksale, hatte sie aus der Ferne beobachtet, mit dem sicheren und beruhigenden Gefühl, ihr selbst könne so etwas nicht passieren.
    »Bin ich vielleicht zu hässlich?«
    »Um Gottes willen, nein!«
    »Oder gefällt dir meine Nase nicht?«
    »Im Gegenteil.«
    »Fehlt es mir an Talent?«
    »Nein.«
    »Was dann?«
    »Du müsstest auch nackt Modell stehen«, sagte Cranach.
    »Habe ich keine gute Figur?«
    »Deine Figur wäre ideal.«
    »Wo ist dann das Problem?«, fragte Anna und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Dabei wusste sie sehr genau, weshalb er sich sträubte: Barbara Cranach war bekannt dafür, dass sie den Beruf ihres Mannes mit gemischten Gefühlen betrachtete. Zwar gehörte Lucas als Hofmaler zu den Wittenberger Honoratioren und die Achtung, die man ihm und seiner Arbeit entgegenbrachte, strahlte zurück auf sein Haus, seine Familie, seine Frau; und diese Annehmlichkeiten wusste Barbara durchaus zu schätzen. Aber andererseits malte er ständig nackte Frauen … es war geradezu sein Spezialgebiet. Barbara hielt ihm manchmal vor, in der Wahl seiner Themen äußerst erfinderisch zu sein, damit er »seiner Leidenschaft«, wie sie es nannte, frönen könnte. Gewöhnlich redete Lucas sich damit heraus, dass seine Auftraggeber das Sujet des Bildes bestimmten – und nicht er. Anna erinnerte sich noch an ein Streitgespräch in der Werkstatt.
    »Warum beschränkst du dich nicht auf religiöse Themen?«, hatte Barbara laut und in Gegenwart aller Gesellen gefragt.
    »Sind denn Adam und Eva etwa nicht aus der Bibel?«, hatte er entgegnet. »Aber ich wäre der Erste, der die beiden im Paradies mit Kleidern malt. Soll ich etwa Eva mit einem hochgeschlossenen Kleid zeigen, eine Perlenkette um den Hals und eine Haube auf dem Kopf wie die reichen adligen Töchter? Und Adam mit Hose, Wams und einem Tuch um den Hals? Es wäre bestimmt originell, den Beginn der Genesis so auszulegen.«
    »Die Bibel besteht nicht nur aus Adam und Eva«, hatte sie gesagt.

Weitere Kostenlose Bücher