Die Lutherverschwörung
ihretwegen ohne Sinn und Verstand in horrende Unkosten. Außerdem hieß es, sie wisse um ihre Macht und könne ihn nach Belieben um den Finger wickeln.
Wie viel davon der Wahrheit entsprach, konnte Wulf nicht beurteilen, doch ohne Zweifel war Joseph von Brangenberg, dessen Vater er vor mehr als zehn Jahren getötet hatte, ein Genussmensch. Das sah man ihm auch an – nicht zuletzt aufgrund seiner Körperfülle und der ungesunden, rötlichen Gesichtsfarbe.
Der Bischof breitete seine Arme aus, als wolle er den Segen erteilen. »Luther wird zur Bedrohung! Dieser Mann verbreitet Irrlehren, er ist ein Ketzer und der Antichrist!«, sagte er. »Deshalb muss er sterben! Töte ihn – und so erfüllst du den Willen Gottes!«
»Das ist eine schwierige und riskante Aufgabe«, erwiderte Wulf. »Luther ist beim Volk beliebt.«
»Und deshalb muss es wie ein Unfall aussehen. Traust du dir das zu?«
»Es ist machbar.«
Es war das erste Mal seit dem Mord an seinem Vater, dass Brangenberg Wulf zu sich bestellt hatte. Wulf wohnte in einer kleinen Ortschaft nicht weit entfernt, und obwohl sie persönlich keinen Kontakt pflegten, war das Band zwischen ihnen doch nie zerrissen. Als hätten sie geahnt, dass sie sich eines Tages wiedersehen würden …
»Luther ist selten allein anzutreffen«, sagte Wulf. »Er ist gesellig, umgibt sich mit Freunden, zeigt sich häufig in der Öffentlichkeit. Ich gehe ein hohes persönliches Risiko ein.«
Wulf betrachtete Brangenberg, der sich ankleidete, während sie sprachen: Über ein langes, von den Schultern bis fast zu den Füßen reichendes weißes Kleid streifte er nach und nach die zum bischöflichen Ornat gehörenden Gewänder.
»Ich werde den Auftrag nur annehmen«, sagte Wulf, »wenn die Entlohnung stimmt. Sprechen wir von Zahlen!«
Genau das, spürte Wulf, wollte der Bischof vermeiden. Konnte er Brangenberg vertrauen? Damals hatte er sein Geld zwar bekommen, aber diesmal stand mehr auf dem Spiel. Für den Bischof war er nämlich nicht nur ein möglicher Handlanger, sondern zugleich eine Bedrohung. Er musste auf der Hut sein!
»Bedenke, dass du etwas für dein Seelenheil vollbringst … für Gott und die Heiligen ein wohlgefälliges Werk! Dazu biete ich dir dreihundert Gulden.«
Wulf schüttelte den Kopf. »Soll das ein Witz sein?«
»Mehr kann ich nicht aufbringen. Mir fehlen die Einkünfte aus dem Ablasshandel.«
»Fünftausend!«, sagte Wulf.
Der Bischof erblasste. »Fünfhundert! Mein letztes Wort!«
Wulf drehte sich langsam um und ging zur Tür. »Ich vergeude meine Zeit …«
»Moment! Warte!«
Wulf blieb stehen.
»Lass uns verhandeln!«
Er wandte sich wieder dem Bischof zu. »Ich verhandele nicht! Fünftausend – und keinen Gulden weniger. Die Hälfte im Voraus, den Rest, nachdem die Arbeit getan ist.«
Seine Forderung war unverschämt, das wusste Wulf sehr wohl. Aber er hatte sich über Brangenbergs Lage informiert und glaubte, dass dem Bischof keine andere Wahl blieb. Falls er sich in diesem Punkt täuschte, wäre allerdings sein Leben in höchster Gefahr, denn er wusste bereits zu viel. Wulf hatte bemerkt, dass der Diener des Bischofs, ein gewisser Breitinger, sich in der Nähe herumtrieb. Vielleicht stand er just in diesem Moment lauschend hinter einer Tür und wartete nur auf einen Wink seines Herrn. Es war wie ein Spiel um sein Leben, bei dem Wulf alles auf eine Karte setzte. Seine Bereitschaft, das hohe Risiko einzugehen, gründete auf allerlei Nachforschungen.
Er wusste bereits, dass Brangenberg sich in jungen Jahren mit der Erbschaft seines Vaters den Bischofshut erkauft hatte. Seitdem lebte er über seine Verhältnisse. Er hatte das bischöfliche Palais vergrößern lassen und den Umbau der berühmten Kathedrale in Angriff genommen; außerdem verschlangen seine Hofhaltung und die Mätresse Unsummen. Und nun hatte Wulf in Erfahrung gebracht, dass Brangenberg nach Höherem strebte. Sein Vorbild war Albrecht von Mainz, der die Bistümer Magdeburg und Halberstadt in seine Hand gebracht hatte. Wie der Mainzer Kirchenfürst hoffte Joseph auf Ämterkumulation – was nach kanonischem Recht unzulässig war, doch solche Probleme ließen sich mit Geld lösen. Seitdem Luther die wichtigste Einnahmequelle zum Versiegen gebracht hatte, war das Geld jedoch knapper geworden. Josephs Bistum lag nur einen Tagesritt von Wittenberg entfernt, und alles, was in Wittenberg geschah, hatte unmittelbare Auswirkungen.
Beide schauten sich in die Augen. Wulf spürte, dass es bei
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