Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
Vom Netzwerk:
fremdartige Gerüche verschmolzen zu etwas völlig Neuem, das würzig, bitter und exotisch daherkam. Die zylindrischen, tönernen Gefäße auf den Regalen waren beschriftet. Komplizierte lateinische Namen. Wulf hielt die Öllampe näher heran.

KAPITEL 9
    Ich habe meine Amme mitgebracht«, sagte Luther.
    Mit dieser stehenden Redewendung pflegte er Jost mittlerweile vorzustellen, wenn er Freunde besuchte. Es war seine Art, mit der Situation umzugehen. Wenn ihm die humoristische Stichelei half, sich mit der Begleitung abzufinden – Jost sollte es recht sein. Denn wer mit Luther auskommen wollte, das hatte er schnell gemerkt, der brauchte ein dickes Fell. Seine Stimmung wechselte rasch, einmal schäumte er über vor Energie und Lebensfreude, kurz darauf wirkte er melancholisch und niedergeschlagen.
    »Er ist eben noch ein kleiner Junge«, stichelte Jost zurück.
    Luther lächelte. »Im Herzen schon.«
    Lucas Cranach hatte die beiden in seine Druckerei begleitet, die sich in einem gewölbeförmigen Raum zu ebener Erde befand. Dort arbeiteten zwei Drucker an einer riesigen Holzpresse, die in periodischen Abständen knarrte und ächzte. Zwei Schriftsetzer standen bei Holzkästen und fügten Buchstaben zu einem Text zusammen, während ein Schriftgießer an einem kleinen, halb offenen Ofen Metall schmelzen ließ. Das Feuer hatte seine Wangen gerötet, und der Geruch verbreitete sich im Raum. Dass die Männer genügend Arbeit hatten, verdankten sie Luther, doch wie Jost bald herausfand, hielt sich ihre Dankbarkeit in Grenzen.
    Die beiden an der Presse unterbrachen ihre Tätigkeit, als die Neuankömmlinge den Raum betraten, die anderen arbeiteten weiter. Einer der beiden Drucker, wohl der Meister, ein rothaariger junger Mann mit Sommersprossen im Gesicht, kam auf sie zu und gab jedem die Hand.
    »Tragen die Ammen nicht sonst Kopftücher?«, fragte der Meister.
    »Daran muss ich noch arbeiten«, erwiderte Jost. »Aber ich bin gut im Märchenerzählen.«
    »Dann schicke ich Euch meinen Sohn vorbei.«
    Der Rothaarige führte sie zu einem Tisch beim Fenster mit druckfrischen Schriften, die Lichtstrahlen auffingen, in denen Staubkörner tanzten. Cranach und der Drucker besprachen Geschäftliches, denn der Meister versprach sich vom Buchmarkt – einem Geschäftsbereich, den er bisher mehr nebenbei betrieb – steigende Einnahmen.
    Schließlich sagte er: »Ich lasse euch jetzt allein, Venus wartet, besser gesagt, ihr Schleier …«
    »Warum lässt du ihn nicht weg?«, spottete Luther. »Es macht doch keinen Unterschied.«
    »Von Frauen verstehst du nichts, Martin!«, erwiderte Cranach und verabschiedete sich, während der Drucker zur Presse zurückkehrte. Luther begutachtete die Druckbögen, manchmal hob er einen hoch und hielt ihn gegen das Licht, sodass man die gitterförmige Struktur des handgeschöpften Papiers erkennen konnte und die Buchstaben der Rückseite durchschimmerten.
    »Man muss den Kerlen immer ein wenig auf die Finger schauen«, flüsterte er, »sonst fangen sie an zu pfuschen.«
    »Was sagst du eigentlich dazu, dass deine Schriften in allen Landesteilen nachgedruckt werden, ohne dass irgendjemand es für nötig hält, mit dir Rücksprache zu nehmen?«, fragte Jost. »Zumindest hat Meister Lucas das erzählt.«
    »Das ist nun einmal so«, erwiderte Luther und legte den Bogen zurück zu den anderen. »Darauf habe ich keinen Einfluss. So etwas wie geistige Eigentümerschaft gibt es nicht. Sobald hier in Wittenberg etwas aus der Presse kommt, können sich andere darauf stürzen und es nach Belieben vervielfältigen. Im Grunde habe ich auch nichts dagegen, wenn es hilft, meine Ideen zu verbreiten … Die Nachdrucker bekommen meinen Segen dazu! Was mich jedoch ärgert, ist das Verstümmeln meiner Texte. Mir fielen schon Schriften in die Hand, auf denen mein Name stand, die ich nicht wiedererkannt habe. Dagegen bin ich leider machtlos! Also bemühe ich mich, dass wenigstens meine Wittenberger Drucke so aussehen, wie ich sie mir wünsche.«
    »Darf ich dich etwas fragen, Martin?«
    »Nur zu!«
    »Wohin soll das alles führen? Was ist dein Ziel?«
    »Ich träume davon, dass die Ungleichheit zwischen den Menschen schwindet. Ich träume davon, dass einfache Leute, die nie eine Universität besuchten, die Wahrheit erkennen – und ich träume davon, dass jedem, alt und jung, arm und reich, Mann und Frau, der unmittelbare Weg zu Gott offen steht. Das ist mein großer Traum!«
    »Willst du die Kirche revolutionieren?«
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher