Die Lutherverschwörung
will keine Revolution.«
»Aber du nimmst sie in Kauf?«
»Wenn sie kommt«, sagte Luther, »kann ich sie nicht aufhalten. Aber dann ist sie eine Begleiterscheinung, die sich ergibt. Wenn du einen Stein ins Wasser wirfst, entstehen Wellen, und sie ziehen immer weitere Kreise. Der Stein sinkt auf den Boden des Teiches und ist längst deinem Blick entzogen, aber die Wellen bewegen sich weiter. Sie führen ein eigenes Leben.«
»Willst du damit sagen, dass sich die Folgen dessen, was du angestoßen hast, deinem Einfluss entziehen?«
»Das ohnehin. Aber ich glaube sogar, dass sie sich meiner Verantwortung entziehen. Ich handele so, wie Gott und mein Gewissen es mir vorschreiben. Ich kann nicht anders. Meine Thesen sind der Stein des Anstoßes, aber alles liegt in Gottes Hand.«
»Wenn das, was du tust, sich deiner Verantwortung entzieht: Was ist dann mit der Freiheit des menschlichen Willens?«
»Mein lieber Jost, du stellst hier Fragen, wie ich sie von einem Söldner nicht erwartet hätte … Meine Freiheit besteht darin, dass ich Gottes Willen zu erkennen suche und dann, wenn ich ihn erkannt habe, meinen Willen seinem unterordne.«
»Das sind hohe Maßstäbe, Martin. Ehrlich gesagt: Ich traue mir nicht zu, sie auf mein Leben anzuwenden.«
»Ich behaupte auch nicht, dass es mir immer gelingt. Aber unser Bemühen sollte dahin gehen. Deshalb heißt es im Vaterunser: Dein Wille geschehe! Ich betrachte das weniger als Bekenntnis, sondern mehr als Bitte. Solange der Mensch von seinen Begierden in verschiedene Richtungen gezerrt wird, kann er keinen Frieden finden. Erst wenn er sich Gottes Willen öffnet, wird er eins mit sich.«
»Klingt sehr mystisch.«
»Es ist nicht einfach zu verstehen – und danach zu leben, noch schwieriger. Von allen Kämpfen, die wir führen, ist das der schwerste. Hier geht es um den Kern unseres Daseins, um das Leben selbst. Der Weg zu Gott ist schmal und dornig, die Straße der Welt aber breit und einfach zu beschreiten: Genau aus diesem Grund habe ich meine Thesen an die Tür der Schlosskirche genagelt.«
»Den Zusammenhang verstehe ich nicht.«
»Mit meinen Thesen habe ich dem Ablasshandel den Krieg erklärt. Warum habe ich das getan? Du wirfst Geld in die Truhen der Ablasshändler, und sie sprechen dich von deinen Sünden frei. Die Methode ist so einfach, dass man fast bedauern möchte, dass sie nicht funktioniert. Denn nichts ist schwerer zu erreichen, als dass der Mensch Vergebung findet für seine Schuld und dass er sich von seinen Sünden reinwäscht. Es geht hier um das grundlegendste Problem unserer menschlichen Existenz – und diese Krämer behaupten, es lasse sich mit ein paar Goldmünzen lösen.«
»Ich habe viel Schuld auf mich geladen, Martin. Ich habe Menschen getötet, weil man mich dafür bezahlte. Das Geld habe ich dann in Hurenhäuser getragen oder zum Wirt. Wenn ich auf die vier Jahrzehnte meines Lebens zurückblicke, gibt es vieles, wofür ich mich schäme. Aber selbst wenn ich meine Fehler erkenne, heißt das noch lange nicht, dass ich in der Lage bin, sie abzulegen. Ich bin mir nicht einmal sicher, dass ich sie ablegen will. Und das wäre nun einmal der erste Schritt zu einer Veränderung.«
»Immerhin«, sagte Luther, »machst du dir Gedanken darüber, und das ist viel wert. Nichts finde ich schlimmer als Gedankenlosigkeit.«
»Aber wenn ich meinen Willen Gottes Willen unterordnen möchte, muss ich doch zuvor meine Fehler ablegen, statt sie ständig zu wiederholen.«
»Besser wäre es … aber wer schafft das?«
»Dann sind wir also alle verloren?«
»Ich glaube, dass Gott bereit ist, uns mit all unseren Fehlern anzunehmen, wenn wir uns seiner Gnade anvertrauen.«
»Was heißt das?«
»Dass wir zu ihm beten und ihn bitten, das geradezubiegen, was wir krumm gemacht haben. Wir gestehen ihm unsere Fehler ein und bekennen unsere Schwäche. Wir wissen, dass wir uns mit Schuld beladen haben und mit Sünden, aber wir vertrauen darauf, dass er uns erlöst. Wir glauben daran, dass Christus deshalb für uns am Kreuz gestorben ist. Der Glaube – nur unser Glaube kann uns retten!«
KAPITEL 10
Mama, warum malt Onkel Lucas immer nackte Frauen?« »Weil ihm das gefällt.«
»Aber warum gefällt es ihm?«
»Weil er Maler ist. Er kann sie dann in Ruhe anschauen.«
»Und wenn er kein Maler wäre, dürfte er das nicht?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil sich das nicht gehört.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht, Martha.«
Sie saßen in ihrer
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