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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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Kammer, Martha auf dem Bett und Anna am Tisch. Anna schrieb einen Brief an ihren Bruder in Wien, aber sie hatte erst zwei Zeilen zustande gebracht, denn Martha langweilte sich und löcherte sie mit Fragen. Alle paar Augenblicke wechselte sie das Thema.
    Schließlich wurde es Anna zu bunt. »Willst du nicht an den Fluss, mit den anderen spielen? Ich komme dann und hole dich, bevor es dunkel wird.«
    »Ich habe keine Lust«, sagte Martha. »Mir ist kalt.«
    »Natürlich ist dir kalt. Weil du die ganze Zeit im Zimmer sitzt und dich nicht bewegst.«
    »Du bewegst dich ja auch nicht.«
    »Martha, ich muss einen Brief schreiben. Entweder du bist jetzt eine Weile still, dann kannst du hierbleiben – oder du gehst raus zu deinen Freunden.«
    »Du bist gemein.« Martha stülpte die Lippen nach vorn. »Wenn du mich nicht willst, dann gehe ich jetzt.«
    »Zieh dir den Mantel über und vergiss die Mütze nicht.«
    »Du willst mich nur loswerden.« Martha ging zu einer Truhe, auf der ihr Mantel lag, und fuhr demonstrativ missmutig und langsam mit ihren kleinen Armen in die gefütterten Ärmel; dann setzte sie sich ihre Wollmütze auf den Kopf und ging zur Tür.
    »Bis später«, sagte Anna, ohne von ihrem Brief aufzuschauen. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Martha ihr die Zunge rausstreckte, bevor sie das Zimmer verließ.
    Anna tauchte die Feder ins Tintenfass. »Ich kann dir nicht sagen, wie verlassen ich mich oft fühle. Ich wünschte, du wärest hier und könntest mich trösten. Weißt du noch, wie ich früher meinen Kopf an deine Schulter lehnte? Du warst wie ein zweiter Vater für mich. Und manchmal biss ich dich ins Ohr. Warum hat das Schicksal uns in alle Winde zerstreut? Wenn du wüsstest, wie viel Wut ich in mir trage. Das Leben ist ungerecht.«
    Etwas löste sich, Tränen rollten ihr über die Wangen, tropften aufs Papier, und obwohl die Worte und Buchstaben verschwammen, schrieb sie weiter wie in einem Fieberwahn, der Brief wurde lang und länger, eine zweite Seite füllte sich und eine dritte; endlich konnte sie ihr Herz ausschütten, es tat ihr wohl, und als sie vier Seiten geschrieben hatte, legte sie mit einem Gefühl der Erleichterung die Feder beiseite. Ohne dass sie es bemerkt hatte, war es fast dunkel geworden; jetzt wurde es höchste Zeit, Martha abzuholen. Anna stand auf, bog den Rücken durch und streckte die Arme in die Luft.
    Kurze Zeit später verließ sie den Hof. Der Himmel war schon schwarz, aber in einigen Häusern brannte Licht; sachte fielen Schneeflocken wie aus dem Nichts zu Boden. In einem Haus wurde gesungen; Anna hörte Kinderstimmen, die von einer Laute begleitet wurden. Sie eilte zum Stadttor und hatte Martha gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil sie zu spät kam. Wenn sie sich nicht sputete, würde man das Tor schließen. Ob die Kinder überhaupt noch am Fluss spielten? Sie fragte die Wache beim Tor. Die Kinder seien vor einiger Zeit zurückgekommen, sagte der Posten, dessen Hellebarde an der Mauer lehnte; seinen Helm, der auf einem Steinquader lag, hatte er durch eine Wollmütze ersetzt. Ob auch Martha dabei gewesen sei? Daran könne er sich nicht erinnern.
    Anna lief zum Fluss. Sie fand den Platz, an dem die Kinder spielten, verlassen vor. Die Schneemänner lagen umgestürzt auf dem Boden, ein Kopf mit einer Karotte als Nase hatte sich selbstständig gemacht, war durch den Schnee gerollt. Anna schaute sich um und rief nach Martha, bekam aber keine Antwort. Sie wird mit den anderen in die Stadt zurückgelaufen sein, redete sie sich ein, vielleicht ist sie schon zu Hause und wartet auf mich. Aber eine andere Stimme in ihr sagte etwas anderes. Also lief sie nach Hause und schaute in ihrer Kammer nach. Dort war keiner.
    Anna ging zurück in den Hof und traf dort Barbara Cranach, die mit einem geräucherten Schweineschinken aus dem Vorratskeller kam. Anna und Barbara gingen sich normalerweise aus dem Weg.
    »Hast du Martha gesehen?«, fragte sie.
    Barbara schüttelte den Kopf. »Das ist schon lange her, da kam sie die Treppe herunter und machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Ich fragte, was los sei, und sie sagte, du hättest sie rausgeekelt.«
    Anna verließ den Hof und suchte Martha in den Gassen und am Marktplatz, sie war nirgends zu finden. Anna bemühte sich, ihre aufkeimende Angst zu unterdrücken. Hatte Martha überhaupt mit den anderen Kindern am Fluss gespielt? Das musste sie erst einmal herausbekommen und beschloss deshalb, den kleinen Jonas Fischer zu fragen, mit

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