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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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Geschichte heraushalten.
    »Um die Wahrheit zu sagen, er hat diesen Wunsch geäußert. Aber was spricht dagegen? Das ist doch gängiger Brauch. Es gibt einen großen Künstler in Italien, Michelangelo Buonarroti, von dem ich weiß, dass er bevorzugt männliche Modelle verwendet, selbst wenn er Frauen malt. Und hier geht es um Kinder! Wenn Zainer möchte, dass sein Jesus Marthas Gesicht hat, so machen wir ihm eben die Freude!«
    Im Kamin knisterte ein Feuer, aber Anna fror, und das Brot schmeckte bitter. »Ich stehe dir gern als Maria Modell«, sagte sie. »Aber weißt du, wer als Jesus ideal wäre? Der Sohn von Jonas Fischer! Der sieht aus wie ein Engel.«
    »Ich will keinen Engel malen, sondern den siebenjährigen Jesus – und Zainer möchte, dass dieser Jesus das Gesicht deiner Tochter hat.«
    Cranach sprach langsam und verhalten, doch sie kannte ihn lange genug, um zu wissen, was das bedeutete. Da es also zwecklos war, ihm weiter zu widersprechen, fragte sie nur: »Wie kommt er auf diese Idee?«
    Cranach hob die Hände zum Himmel. »Er hat euch zusammen gesehen und der Anblick hat ihn berührt. – Morgen Nachmittag mache ich ein paar Skizzen von dir und Martha, bevor es dunkel wird.«
    Cranach hatte einen festgelegten Arbeitsrhythmus, dem er streng folgte. Die hellen Stunden des Tages – und die waren im Winter rar – verbrachte er mit den Ölbildern, damit er die Wirkung der Farben richtig einschätzen konnte. Vorbereitungen dagegen, wie das erste Anfertigen von Skizzen, legte er auf den Nachmittag; und manches Mal sah man ihn auch bei Kerzenlicht mit Entwürfen und Ideen beschäftigt.
    »Übrigens«, fügte Cranach hinzu, »Zainer will morgen ebenfalls kommen. Ich habe nichts dagegen, denn so ist sichergestellt, dass er zufrieden sein wird.«

KAPITEL 8
    Es musste bereits nach Mitternacht sein, als er aufstand. Durch den offenen Fensterladen fiel das Mondlicht herein. Wulf öffnete die Zimmertür, aber im Gang war es stockfinster. Er musste geräuschlos nach unten kommen – und dabei war es von Vorteil, dass er so klein war und leicht.
    Früher hatten sie ihn verspottet; nicht nur die anderen Kinder, auch sein Vater. Der war ein groß gewachsener Mann mit Bärenkräften, während Wulf aus der Art schlug. Der Vater hatte ihn sogar gezwungen, im Eiswasser zu baden und barfüßig über kalte Steinplatten zu laufen … Wulf tastete sich die Treppe hinunter. Er hatte sich die Räumlichkeiten bereits so gut eingeprägt, dass er ohne Licht auskam. Es gelang ihm, die Stufen lautlos zu nehmen. Weil ich klein bin, dachte er stolz. Vater wäre hinuntergepoltert und hätte das ganze Haus geweckt.
    Nur mühsam konnte er seine Müdigkeit beherrschen. Ein langer und anstrengender Tag lag hinter ihm. Den Nachmittag hatte er in der kleinen Kammer verbracht, die an Cranachs Werkstatt grenzte, wo er Anna und Martha antraf, die dem Meister als Maria und Jesuskind Modell standen. Cranach fertigte mit dem Kohlestift mehrere Skizzen von Mutter und Tochter und besprach mit Wulf die Details des Gemäldes. Ihm gehe es besonders um das innige Verhältnis der beiden, betonte Wulf: um die Liebe der Mutter zu ihrem Kind und um die Liebe des Kindes zu seiner Mutter. Marthas Augen, die in einem dunklen, geheimnisvollen Braun glänzten, so vermutete Wulf, mussten wohl vom Vater stammen, das Haar dagegen hatte sie von der Mutter. Die Kleine blickte ernst und schien sich nicht wohlzufühlen. Auch Cranach bemerkte das, denn er versuchte, sie mit kleinen Scherzen aufzumuntern.
    Wulf hatte sich gesprächig und von seiner besten Seite gezeigt. Tatsächlich taute die Atmosphäre nach einiger Zeit auf, das Misstrauen von Mutter und Tochter schwand und es war ihm gelungen, einige Informationen über Wittenberg und seine Bewohner zu sammeln – und natürlich über Luther. Wie er richtig vermutet hatte, würde es schwer, ja unmöglich sein, ins Augustinerkloster einzudringen. Andererseits (und auch hier hatte er richtig gelegen) war Luther häufig bei seinem Freund Cranach zu Besuch. Und eben dies würde er sich zunutze machen.
    Später war Wulf im Dämmerlicht durch die Gassen Wittenbergs geirrt und schließlich in Hannas Badehaus gelandet, von dem ihm der Wirtshausknecht mit einem Augenzwinkern erzählt hatte. Es war Hanna selbst, die ihm am besten gefallen hatte, und obwohl sie sich anfangs sträubte, konnte er sie mit einem großzügigen Angebot von seinen Absichten überzeugen. Auch sie hatte er über Luther ausgefragt, sich nach seinen

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