Die Macht der Angst (German Edition)
sie ihn. »Das ist schlecht für das kleine … Scampi-Ding in ihrem Bauch.«
»Das Scampi-Ding?« Sean hob vor Empörung die Stimme. »Vor Monaten war es ein Scampi-Ding! Inzwischen gleicht es längst mehr einem … einem …«
»Einem Außerirdischen?«, soufflierte sie ihm, hilfsbereit wie eh und je. »Der überproportionierte Kopf, die riesigen, starrenden, lidlosen Augen? Die Schwimmhäute? Die Kiemen?«
»Halt die Klappe«, brummte er. »Zerstör nicht die Poesie. Du solltest endlich mehr Respekt vor dem Wunder des Lebens zeigen.«
»Aber das tue ich doch. Genau darum werde ich nicht zulassen, dass du zu deiner Frau gehst und sie niedermachst. Das hat sie nicht verdient. Und du würdest es bereuen.« Ihre Hand schnellte vor und schloss sich wie eine Eisenschelle um seinen Unterarm.
Sean starrte auf ihre Hand, dann auf seine eigene Faust, während er das Bedürfnis überwand, Tam abzuschütteln und gegen die Wand zu schmettern. Er war beträchtlich stärker als sie, und das wussten sie beide. Sie wusste außerdem, dass ihre Weiblichkeit ihm verbot, seine gewaltige Körperkraft gegen sie einzusetzen.
Er konnte es einfach nicht, ganz gleich, wie sehr sie ihn auf die Palme brachte. Nicht bei einer Freundin. Damit war die Partie ausgeglichen, was ihr durchaus bewusst war.
Aber sie war noch nicht am Ende mit ihrer Litanei. »Liv ist in Sorge um dich. Sie ist dünner geworden, dabei müsste sie zunehmen! Sie hat Ringe unter den Augen. Sie schläft schlecht. Das ist schädlich für das Baby.«
»Tam, diese Ausführungen werden nicht –«
»Reiß dich am Riemen, du hirnvernagelter Idiot.« Sie krallte die Nägel so fest in seine Handgelenke, dass sichelförmige Male zurückblieben.
»He! Sean!« Miles’ fröhliche Stimme war eine von Gott gesandte Unterbrechung. Er reichte Sean ein frisches kaltes Bier, das dieser dankbar entgegennahm. Er bot auch Tam eins an, doch die lehnte angewidert ab, indem sie das perfekte Näschen krauszog. Also nahm Miles einen kräftigen Schluck aus der Flasche, die für Tam gedacht gewesen war. Sean musterte ihn mit fast väterlichem Stolz. Der Junge war nicht mehr zu vergleichen mit dem schmächtigen, bleichen Computerfuzzi, der er noch vor ein paar Jahren gewesen war, als sie ihn kennengelernt hatten. Damals hatte er in unerwiderter Liebe nach Cindy, Erins Sexbombe von einer Schwester, geschmachtet. Heute war er glücklich, durchtrainiert, gut gekleidet. Und wurde regelmäßig flachgelegt.
»Ich muss dir etwas zeigen«, verkündete Miles.
»Was denn?«, fragte Sean geistesabwesend.
Es gelang ihm nicht ansatzweise, Miles’ Geplapper zu folgen, während Tam fester zudrückte, Knochen an Sehnen rieb. Ihre Augen waren schmal und versprachen Bestrafung, sollte er es vermasseln. Als würde er Tams Strafe überhaupt noch registrieren, sollte er so dämlich sein, die Sache mit Liv zu ruinieren. Sie bedeutete ihm alles. Das Süßeste, was das Leben zu bieten hatte. Und der kleine außerirdische Shrimp würde es noch besser machen.
»… verblüffend, diese Ähnlichkeit«, quatschte Miles enthusiastisch weiter. »Cindy und mir ist die Kinnlade runtergefallen, als wir es gesehen haben. Darum sind wir losgezogen und haben die ganze Reihe gekauft, und weißt du was? Wir sind süchtig danach. Sie ist fantastisch. Du musst unbedingt –«
»Warte«, fiel er ihm ins Wort. »Welche Ähnlichkeit? Ähnlichkeit mit wem?«
Miles, der mitten im Satz unterbrochen worden war, verlor den Faden. »Äh … nun ja, mit dir«, stammelte er verdattert. »Der Kerl sieht exakt aus wie du. Nur dass seine gesamte rechte Gesichtshälfte von Narben bedeckt ist. Ansonsten ist er bis ins Detail identisch mit dir.«
Seans Magen sackte ins Bodenlose. Er sah wieder diese traumartige Vision vor sich, die er gehabt hatte, als er sich dieses perverse Bewusstseinsduell mit Osterman geliefert hatte, um die X-Cog-Dominanz ins Gegenteil zu verkehren. Er hatte das Lenkdrachen-Mandala am blauen Himmel entdeckt und war der Schnur gefolgt bis zu dem Mann, der sie hielt. Kev. Älter und verhärmter, seine rechte Gesichtshälfte von Narben überzogen. Trotzdem war es Kev.
»… lass das, Sean. Scheiße! Du tust mir weh!«
Großer Gott. Seine Knöchel traten weiß hervor, so fest hatte er Miles’ Schulter gepackt. »Wer?«, donnerte er. »Wer sieht aus wie ich? Wer hat Narben?«
»Beruhig dich doch!« Miles wirkte verängstigt. »Es ist nur eine Romanfigur!«
»Was für eine Romanfigur?« Seine Stimme bebte. »Zeig sie
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