Die Macht der Drei
täglich – stündlich eine Revolution ausbrechen konnte, auf die er keinen Einfluß hatte. Er hatte sich mit Mr. Baker eine lange Nacht hindurch eingeschlossen, einen vollständigen Revolutionsplan mit ihm entworfen und in allen Einzelheiten ausgearbeitet. So raffiniert und wirkungsvoll, daß dem Parteiführer vor der teuflischen Schlauheit des Arztes graute.
Nur über die Behandlung und Beseitigung des Diktators waren sie nicht einig geworden. Glossin war für Lufttorpedos auf das Weiße Haus. Mr. Baker war gegen jedes Blutvergießen. Er verkannte die großen Verdienste des Präsidenten um die Union nicht. Cyrus Stonard sollte weg, sollte der Macht beraubt werden, aber ohne Schaden an Leib und Leben zu nehmen.
Damals… jetzt vor fünf Tagen… hatte Mr. Baker eine kurze Zeit überlegt, hatte angedeutet, daß er einen Weg finden würde, hatte den Weg selbst verschwiegen. Von Tag zu Tag waren seine Andeutungen zuversichtlicher geworden. Aber die Tage waren auch verstrichen. Die Zeit drängte. Und dieser Ideologe, dieser Baker, spielte immer noch den Geheimnisvollen. –
Dr. Glossin sprang wütend auf. Er mußte zum Ende kommen. So oder so. Es war um die achte Abendstunde, als er den Broadway erreichte und sich in einem der Wolkenkratzer in die Höhe fahren ließ. Er trat in einen einfachen Büroraum im 32. Stock, einen spärlich und nüchtern ausgestatteten Geschäftsraum. Nur eine Person war darin.
Ein hochgewachsener Fünfziger mit ergrautem Vollbart und Haupthaar, William Baker, der Führer der Patrioten.
»Sie kommen, Herr Doktor… Um so besser, da brauche ich nicht nach Ihnen zu schicken.«
»Ich komme, Mr. Baker, weil die Zeit uns auf den Nägeln brennt. Ich bestehe darauf, daß mein alter Vorschlag durchgeführt wird.«
»Es wird nicht nötig sein.«
»Bitte… sprechen Sie deutlicher.«
Der Parteiführer schritt schweigend zu einer Tür zum Nebenraum und öffnete sie. Eine dritte Person trat ein. Trotz des Zivils erkannte Dr. Glossin Oberst Cole, den Kommandeur des Leibregiments. Er kannte den Obersten seit Jahren, und der Oberst kannte ihn ebenso.
Glossin war starr. Seine gewohnte Selbstbeherrschung versagte.
»Sie… Oberst Cole…?«
Baker nickte.
»Sind Sie zufrieden, Herr Doktor?«
Verwirrt drückte der Doktor die Hand, die der Oberst ihm bot. Das war also der Trumpf, den Baker so lange zurückgehalten hatte. So mußte der Plan gelingen.
»Heute abend um 23 Uhr auf die Sekunde wird die Aktion der Partei in allen Städten der Union beginnen. Um 22 Uhr löst das Regiment Cole die alten Wachen im Weißen Hause ab. Alles Weitere besprechen Sie auf der Fahrt. Jetzt fort!«
Ein kurzer Händedruck. Dr. Glossin fuhr mit dem Oberst bis auf das Dach des Wolkenkratzers. Das Flugzeug des Kommandeurs nahm sie auf. Die Dämmerung des Sommerabends lag über der See, als der Hubschrauber den Kurs auf Washington nahm und die Bai von New York überflog. Staten Island, Sandy Hook, die Einfahrt zum New-Yorker Hafen. Dr. Glossin und Oberst Cole standen am Fenster und blickten ostwärts über die See.
Und unten auf der See zog es in einer unendlichen Linie heran. Panzer und Panzerkreuzer, Torpedoboote und Torpedojäger, Flugtaucher und Unterseepanzer. Es rauschte durch die See, deren Wogen sich vor dem Bug der kompakten Masse aufbäumten und in stiebendem Schaum zerflockten. Es kam mit einer Geschwindigkeit von vielen Seemeilen in der Stunde durch die Fluten dahergerast. Die schweren Panzer standen halb schief, den Bug hoch über den Wogen, das Heck tief in der See, daß das Wasser dahinter einen Berg bildete.
Es war ein seltsames und grauenvolles Schauspiel. Diese Schiffe fuhren nicht mit eigener Kraft. Sie fuhren überhaupt nicht, wie Schiffe zu fahren pflegen, in regelmäßigem Abstand und in Formationen.
Die eisernen Schiffskörper hingen zusammen, wie etwa eine Gruppe von Pfahlmuscheln, die ein Fischer vom Grunde losgerissen hat und durch das Wasser schleift. An den Seitenwänden des ersten schweren Panzers klebten, aus dem Wasser gehoben, drei Torpedoboote wie die jungen Muscheln an den Schalen der alten. Der zweite Panzer haftete, um ein Drittel seiner Länge nach Backbord vorgeschoben, am ersten Schlachtschiff. So brauste die ganze gewaltige englische Schlachtflotte dahin, zu einem einzigen, regellosen Block verquirlt, von einer sichtbaren, unwiderstehlichen Gewalt durch die Fluten gerissen.
Erst auf der Höhe von Sandy Hook mäßigte sich das Tempo der wilden Fahrt. Langsamer, aber immer noch
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