Die Macht der Drei
das höchste Gesetz… Was habe ich zu tun?«
»Das Land zu verlassen!«
»Wann?«
»Sofort!«
Cyrus Stonard erhob sich mit kurzem Ruck, als gehorche er einem Befehl.
»In wessen Namen handeln Sie?«
»Im Namen aller ihr Vaterland und die Freiheit liebenden amerikanischen Bürger.«
Cyrus Stonard wußte genug. Das war aus dem Programm der Patrioten, die er für harmlos gehalten hatte. Er schaute auf die Versammlung und erblickte, durch die Gestalt des Obersten halb gedeckt, Dr. Glossin.
»Gehört Herr Doktor Glossin auch zu diesen Bürgern?«
Oberst Cole wich zur Seite, als ob die Nähe Glossins ihm peinlich sei.
Der Arzt stand frei vor dem Diktator. Er mußte dessen Blick aushalten, denn die Mauer der Offiziere und Soldaten versperrte ihm den Rückzug. So stand er und wand sich unter den Blicken des Präsidenten, wurde abwechselnd blaß und rot, wäre in diesem Augenblick gern meilenweit weggewesen.
Cyrus Stonard sah ihn erbärmlich und klein werden, drehte ihm den Rücken und wandte sich Oberst Cole zu.
»Kameraden! Ich verlasse das Land in der Überzeugung, daß es sein Wille ist. In der Hoffnung, daß mein Weggehen zu seinem Heil dient. Was ich erstrebte… das Schicksal hat es anders gewollt. Eine Macht, größer als ich je geahnt, hat es in Menschenhand gelegt. Ich habe dagegen gekämpft… Als ich den Kampf aufnahm, wußte ich, daß sein Ausgang mein Schicksal bedeutet… Ich bin unterlegen… Wohin soll ich gehen?«
»Wohin Sie wollen, Herr Präsident. Ein Flugzeug steht zu Ihrer Verfügung.«
»Nach Europa… nach Nordland. Gehen wir.«
Oberst Cole trat an die Seite des Präsidenten. Auf seinen Wink öffnete sich eine Gasse zur Tür. Still und stumm standen die Offiziere und Mannschaften des Leibregiments und sahen den Mann scheiden, der sie durch zwanzig Jahre zu Ruhm und Ehre geführt hatte.
Oberst Cole wollte vorangehen. Cyrus Stonard ergriff seinen Arm und stützte sich darauf.
»Ich bin müde, alter Freund!«
Der Oberst preßte die Lippen aufeinander. Aus seinen starr blickenden Augen brachen zwei Tränen, die langsam über sein Gesicht herniederrollten.
Eine Viertelstunde später erhob sich ein Regierungsflugzeug vom Dach des Weißen Hauses. Es steuerte in die Nacht. Kurs nach Osten.
*
Es ist schwer, die Ereignisse der nächsten Wochen zu schildern. Die unbekannte Macht hatte die gesamten Luft- und Seestreitkräfte des Commonwealth und der amerikanischen Union gelähmt. Die Luftflotten beider Länder waren auf unerklärliche Weise blockiert. Die Atombomber konnten sich nicht mehr vom Boden erheben. Glückte aber gelegentlich wirklich noch ein vereinzelter Start, so versagte die Bombenauslösung, und die Besatzung mußte froh sein, wenn es ihr gelang, das Flugzeug vor dem Absturz zu bewahren und unversehrt zu landen.
In einem magnetischen Wirbelsturm war die britische Flotte in den Hafen von New York eingeschleppt worden. Zu der gleichen Stunde, in der die amerikanische Flotte die Themse hinauf bis zu den Docks von London gezogen wurde.
Einen Tag später wurde in den Vereinigten Staaten Cyrus Stonard gestürzt und eine neue Regierung gebildet, in welcher Dr. Glossin einstweilen kommissarisch das Außenministerium übernahm.
Zu jeder anderen Zeit hätte dieser Sturz die ganze Welt in Aufruhr versetzt. Jetzt vollzog er sich beinahe geräuschlos. Die unbekannte Macht nahm das allgemeine Interesse zu sehr in Anspruch, als daß die politische Umwälzung in den Vereinigten Staaten besonders aufregend hätte wirken können.
Wo immer noch in irgendeinem Winkel der Welt englische und amerikanische Streitkräfte aneinandergerieten, da trat die Macht sofort handelnd als dritte auf.
Englische Flugtaucher, die einen Angriff auf den Panamakanal versuchten, wurden dicht bei Jamaika von einem magnetischen Zyklon gefaßt und auf den höchsten Gipfeln der Kordilleren abgesetzt. Die Besatzungen brauchten Tage, um aus der Schneewüste zu den nächsten menschlichen Ansiedlungen zu gelangen. Die Macht griff ohne Ansehen der Parteien ein und unterbrach jede Kampfhandlung.
Die Ereignisse dieser Tage wirkten auf die Menschheit wie etwa der Stab eines Wanderers im Ameisenhaufen. Allgemeine Unruhe, Aufregung, ein Brodeln der öffentlichen Meinung, das im Rundfunk und in der Presse aller Kulturländer seinen deutlichsten Ausdruck fand.
Will man den ungeheuren Eindruck der Ereignisse dieser Tage einigermaßen übersichtlich ordnen, so muß man die davon betroffene Menschheit in allen Staaten in drei
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