Die Macht der Drei
ihrer Beschließerin über Jane unterhalten. Die sonderbaren Andeutungen der Alten gingen ihr nicht aus dem Sinn.
Jane machte sich an einem Tischchen zu schaffen, das in einem der großen erkerartig ausgebauten Bogenfenster stand. Sie hatte den Tischkasten aufgezogen, kramte in verschiedenen Kleinigkeiten, die dort lagen, schien irgend etwas zu suchen. Diana sah, wie sie ein Garnknäuel und ein Buch herausnahm, die Gegenstände zerfahren und unsicher auf den Tisch legte und dann ein Zeitungsblatt aus dem Kasten holte. Ein altes Blatt, mehrfach geknifft, eine Notiz darauf mit Buntstift angestrichen.
Die Sonne fiel durch die Erkerfenster und wob goldenen Schein um die schweren blonden Flechten Janes. In dieser Beleuchtung, die ihre zarte Schönheit noch hob, wirkte sie beinahe überirdisch, wie eine der Gestalten auf den bunten Stichen von Gainsborough. Diana Maitland betrachtete das Bild mit Wohlgefallen.
Jane saß leicht vorgebeugt auf dem Tischchen. Ihre Blicke ruhten auf dem Zeitungsblatt. Der zerstreute, träumerische Zug, den Diana in den letzten Tagen sooft an ihr beobachtet hatte, lag auf ihrem Antlitz. Jetzt straffte sich ihre Miene. Ihr Auge haftete auf einem Punkt des Blattes, während sie angestrengt nachzudenken schien. Als ob sie etwas suche, eine Erinnerung, ein Wort, einen Namen, auf den sie nicht kommen könne. Es sah aus, als ob dies angestrengte Sinnen ihr körperliche Pein bereite.
Diana Maitland sah die Wandlung und rief sie an: »Was ist Ihnen, Jane?«
Wie geistesabwesend ließ Jane das Zeitungsblatt sinken und fuhr sich über die Stirn.
»Linnais… Linnais…«
»Jane, was haben Sie? Was ist Ihnen Linnais?«
Als Diana das Wort Linnais aussprach, erhob sich Jane wie eine Schlafwandlerin. Suchend, stockend brachte sie einzelne Worte hervor.
»Linnais… Brand… Ruinen… alles tot…«
Sekundenlang stand Diana in starrem Staunen.
»Nein, Jane… sie leben!«
»Leben… Linnais… leben… Hochzeit… meine Hochzeit… Kirche… Atma… Erik Truwor…«
Diana Maitland sank schwer atmend in ihren Sessel zurück. Ihre Augen hingen an den Lippen Janes, die weiterflüsterten:
»…meine Hochzeit…«
»Mit Erik Truwor?«
»Nein… nein… mit…«
»Mit…«
»Mit… mit…«
Jane suchte und konnte den Namen ihres Mannes nicht finden. In ängstlichem Grübeln krauste sich ihre Stirn.
»Mit Logg Sar?«
»Silvester…!« Wie ein erlösender Aufschrei kam es von Janes Lippen. »Silvester… Silvester… Wo ist er?«
Diana trat auf die Schwankende zu und geleitete sie zu einem Ruhebett. Ein tiefes Schluchzen erschütterte den zarten Körper Janes. Als sie die Augen aufschlug, war ihr Blick gewandelt. Nicht mehr unsicher und traumverloren. Klar und fest.
»Silvester! Ich habe ihn wieder!«
»Was ist Ihnen Silvester?«
»Er ist mein Mann! Mein geliebter Mann!«
Die Gedanken Dianas jagten sich. Was war das? Was hatte Dr. Glossin getan? Welches Verbrechen war an dem Mädchen begangen worden? Diana Maitland fand die härtesten Ausdrücke für den Arzt. Wie konnte er die Gattin Logg Sars als seine Nichte, als junges Mädchen in ihr Haus einführen? Wie kam die Gattin Logg Sars in die Gewalt Glossins?
Jane richtete sich auf dem Diwan empor und begann zu sprechen. Fließender, endlich ganz frei. Die hypnotische Kraft Dr. Glossins reichte an diejenige Atmas nicht heran. Ein einfaches Zeitungsblatt, jenes schwedische Blatt, welches von Glossins Hand selbst unterstrichen den Namen Linnais trug, hatte genügt, den von ihm gelegten Riegel zu brechen.
Die volle Erinnerung kam Jane wieder. Sie erzählte, wie sie in der Sorge um Silvester von Düsseldorf nach Linnais ging und Brandruinen fand, wo sie einst Hochzeit gehalten. Wie Dr. Glossin, ihr selbst unerklärlich, plötzlich vor ihr stand, wie sie ihm willenlos folgen mußte.
»Dein Silvester lebt, Jane! Er und seine Freunde! Wir wissen es. Lord Horace sagte es mir. Unsere Stationen müssen ihre Befehle funken.«
»Er lebt. Ich höre es. Ich glaube es gern… gern… Aber er weiß nicht, wo ich bin. Ich habe in törichter Sorge seine Weisung mißachtet, bin fortgelaufen. Er sucht mich vergeblich, kann mir keine Nachricht geben.«
Lady Diana brachte bald heraus, wie diese Benachrichtigungen früher stattgefunden hatten. Aber der kleine Kurzwellenapparat war verschwunden. Irgendwo in Linnais geblieben. Damals, als Dr. Glossin in ihm die Stimme Silvesters vernahm, die Kraft des Strahlers zu fürchten begann und den Apparat wie glühendes
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