Die Macht der Drei
der Amerikaner wettete. Aber Lord Maitland empfing auch von Viertelstunde zu Viertelstunde die Telegramme aus Amerika, und er fand, daß die aufreizende Sprache der Presse in den Morgenstunden an Schärfe verloren hatte. Hatte sich Cyrus Stonard besonnen und die Auseinandersetzung aufgeschoben? Er fand keine sichere Antwort auf diese Fragen.
Seine Betrachtungen wurden unterbrochen. Ein Punkt, der in den letzten Sekunden am Horizont sichtbar geworden war, hatte sich schnell vergrößert. Aus unendlicher Höhe stieß er herab und wuchs in jeder Sekunde, bis er sich breit und massig auf die blauen Fluten des Solents legte. Dort wogte das Flugschiff im Spiele der Wellen leicht auf und ab, rasselnd gingen die Anker in die Tiefe und legten den mächtigen Rumpf fest. Flatternd stieg das Sternenbanner am Heck hoch, und wie durch Zauberei spannte sich in wenigen Sekunden der bunte Schmuck der Flaggenparade längs über das Schiff. Cheerrufe aus der Menge begrüßten den Klipper, dem in wenigen Minuten zwei weitere folgten.
Mr. Pykett schrieb ruhig einen Scheck über 150 Pfund aus und legte ihn in die Hände des Viscount Robarts. Während er das tat, stellte er sich im stillen die gleichen Fragen wie Lord Maitland. Warum ließ Cyrus Stonard noch Passagierflugzeuge hinüber? Hatte er sich im letzten Augenblick besonnen und die Auseinandersetzung aufgeschoben?
Die Atmosphäre war mit Politik geladen. Auch das Gespräch der Damen beeinflußte sie. In einer Pause der Gespräche hörte man deutlich die wohlklingende Stimme der Lady Diana:
»Wie sollten England und Amerika miteinander fechten? Die gemeinsame Sprache verhindert es ja. Sie ist das stärkste Band, das Menschen aneinanderbindet.«
Die Viscounteß Robarts nickte zustimmend. »Ich könnte es auch nicht begreifen, wie Englishspeakers sich gegenseitig morden sollten. «
Die Damen glaubten nicht an die Möglichkeit eines Krieges. Aber sie wußten auch wenig von der Politik und Staatsräson eines Cyrus Stonard.
Draußen begann der Wettbewerb der Tauchflieger. Von großen Höhen schossen die Maschinen herunter, durchschnitten klatschend die Wasserfläche, zogen noch eine kurze Spur quirlenden Wassers hinter sich her und waren dann verschwunden. Als Unterseeboote setzten sie ihre Fahrt fort. Nach den Bedingungen des Wettbewerbes mußten sie unter Wasser eine lange Strecke zurücklegen, eine in fünfzig Meter Tiefe verankerte Boje aufnehmen und innerhalb vorgeschriebener Zeit an einer bestimmten Stelle wieder auftauchen.
Um die Amerikaflugboote tummelten sich die Passagier- und Zollbarkassen. Die Abfertigung dauerte nur kurze Zeit. Einzelne der soeben Angekommenen gingen bereits an Land, um hier Freunde und Bekannte zu treffen. Auf der Bordtreppe der Regierungsjacht wurden Schritte vernehmbar. Neue Gäste kamen. Sir Arthur Vernon, der Vorgänger Lord Maitlands, führte einen Fremden in diesen Kreis ein.
»Herr Dr. Glossin aus Trenton in den Staaten…«
Während der Eingeführte sich höflich verbeugte, fuhr Sir Arthur, zu Lord Maitland gewendet, kaum hörbar fort: »…ein alter Freund von mir… kann vielleicht helfen, die Krise zu lösen.«
Die wenigen Worte genügten, um dem Amerikaner einen Empfang zu sichern, dessen Herzlichkeit noch um eine Note über die übliche englische Gastfreundschaft hinausging.
Dr. Glossin widmete sich besonders der Gattin des Ministers. Zu ihrem Staunen lenkte er das Gespräch sehr bald auf solche Orte und Personen, die sie als Sängerin kennengelernt hatte, ohne doch ihren früheren Beruf auch nur mit einem Worte zu erwähnen.
Lady Diana wurde durch das Gespräch gefesselt und doch wieder innerlich abgestoßen. Sie spürte bei jedem Satz einen geheimnisvollen Doppelsinn und konnte sich dem Einfluß dieses Gastes doch nicht entziehen. Eine innere Stimme warnte sie, sich den Mann zu nah kommen zu lassen, und unter einem unwiderstehlichen Zwange brachten ihre Lippen gleichzeitig eine freundliche Einladung nach Maitland Castle zutage. Eine Einladung, die Lord Maitland dringend unterstützte. Es lag ihm daran, mit diesem einflußreichen Amerikaner in Fühlung zu bleiben.
Dr. Glossin dankte für die Aufforderung. Er nahm sie mit Vorbehalt an. Vorerst habe er noch in London zu tun. Danach würde er gern nach Maitland Castle kommen. Krieg und Kriegsgefahr… er lachte darüber. Das amerikanische Volk denke nicht daran, sich mit den stammverwandten Briten in einen Krieg einzulassen. Pressezänkereien bedeuteten noch lange keinen
Weitere Kostenlose Bücher