Stella Blomkvist
1
»Scheiß Leben!«
Na endlich! Meine japanische
Schrottkarre kriecht im Schneckentempo mit durchdrehenden Rädern aus der
Parklücke und den steilen Abhang hinauf. Hat mit Sicherheit irgendeinem
Schlaumeier einige Millionen eingebracht, diese Glatteis-Rutschbahn zu
konstruieren.
Ich selber bin auch schon ganz
durchgedreht. Hämmere mit den Fäusten aufs Lenkrad, das unter meinen Schlägen
erzittert, und fluche aus tiefster Seele auf dieses Hundewetter, die
Schneeschieber, die die Straße immer viel zu spät freiräumen, und die Ganoven
aus der Politik, die den ganzen Klüngel auch noch steuern. Und dann natürlich
auch auf den Vollidioten, der sich von der Kripo hat erwischen lassen, damit
ich am frühen Sonntagmorgen aus dem Bett geklingelt werde. Und obendrein auch
noch diese Scheißkälte.
»Minderbemittelter Schwanzträger!«
Sogar mein Wortschwall ist gegen
mich. Wird gleich zu Dampf, der auf der Windschutzscheibe gefriert. Die Heizung
bringt nichts. Stöhnt gerade mal ein bisschen das Eis an.
Ich versuche, die Windschutzscheibe
von innen mit meinen schwarzen Wollhandschuhen abzuwischen. Sie beschlägt
natürlich sofort wieder.
»Verdammtverdammtverdammt!«
Ein schwaches Wispern meldet sich
aus den Tiefen alter Erinnerungen zu Wort: »Aber
Stella! Du sollst doch nicht fluchen. Das ist so unweiblich!«
Sagt Mama.
Ganz wenige sind auf den Straßen
unterwegs. Kein Wunder! Niemand ist so blöd, sich bei diesem Wetter vor die Tür
zu wagen – außer meiner Wenigkeit.
Vom Wind zerzauste Schneeberge, die
höher als mein Auto sind, türmen sich am Straßenrand. Sie starren vor Schmutz
und haben Löcher, wie heruntergekommene Schlösser in den Elendsländern der
Welt. Halb abgebröckelte und verwitterte Wände, die die Räumfahrzeuge
hinterlassen haben.
Entweder völlig verrücktes Schneetreiben
oder arktische Kälte. So war es die letzten Wochen. Verdammter Mist, immer
noch hier auf der Eisscholle festzuhängen. Ich hätte mich schon längst vom
Acker machen sollen. Auf die Kanaren. Oder nach Florida. In die Sonne, zum Sand
und den braun gebrannten Männern.
Den gut gebauten, südländischen
Männern.
Die wären allemal besser als diese
Weichlinge hier zu Hause – alles Schlappschwänze, vor lauter Stress und
Saufgelagen.
Meine nächtliche Eroberung wollte
jedenfalls lieber Bacchus als mir frönen. Schlief zweimal nach halb vollbrachter
Tat ein wie ein kraftloser Alter. Wachte erst nach ein paar Ohrfeigen wieder
auf, der Rohrkrepierer. Bei mir schläft keiner ein. Jedenfalls nicht ohne meine
Erlaubnis.
Er rührte sich noch nicht mal, als
heute Morgen das Telefon zu läuten begann.
Unverschämtheit! Ich hielt mir die
Ohren zu und versuchte, die Gehirnzellen in Ruheposition zu behalten, aber das
Telefon klingelte weiter. Und klingelte. Eine unerträgliche Tortur.
Schließlich trat ich die Flucht nach
vorne an, schubste den Kerl vom Venushügel, streckte mich zum Telefon und nahm
ab.
Es war Raggi. Einer von den
Goldjungs bei der Kripo. »Stella, Schätzchen? Hab ich dir die Tour vermasselt?«
Ach, du liebe Zeit! Dass man
ausgerechnet am Sonntagmorgen an einen Bullen geraten muss, der sich für
witzig hält. Als sei ein Kater samt abgefülltem Typen noch nicht genug. Ich
krieg die Krise!
»Wir haben hier einen alten
Bekannten von dir«, sagte Raggi. »Er will dich als Anwältin.«
»Ist mir doch egal.«
»Er will aber nur dich!«
»Ach ja?«
»Wir wollen ihn für mindestens ein
paar Wochen auf Eis legen. Der steckt echt bis zum Hals in der Scheiße.«
»Gott!
Ich mach gleich vor Angst ins Bett!«
»Lass den Quatsch.«
»Ein richtig großer Fisch, sagst Du?
Hat er vielleicht einige alte Bäume abgefackelt,die Vigdis 1 seinerzeit gepflanzt hat?«
»Du hast
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